Autopreise

Endet die Ära des leistbaren Autos?

Die Ansprüche sind gestiegen: Klein ist heute nicht mehr fein. Unsere Autos werden teurer, aber auch größer – und sie können mehr.
Die Ansprüche sind gestiegen: Klein ist heute nicht mehr fein. Unsere Autos werden teurer, aber auch größer – und sie können mehr.(c) Getty Images / Mondadori Portfolio
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Der Eindruck täuscht nicht: Autos werden immer teurer. Und zwar schneller als andere Konsumgüter. Die Gemengelage, die dazu führt, wird sich absehbar nicht entspannen. Mit dem Elektroauto kommt ein weiterer Preistreiber dazu.

Studiert man die Autopreislisten vom November und vergleicht sie mit jenen des November 2018, so stößt man auf einen Kehraus in der untersten Preisklasse. Gab es vor vier Jahren in Österreich noch 17 Modelle, die unter 10.000 Euro kosteten, so sind es heute: null.

Der Neuwagen im Vierstelligen ist Vergangenheit, und er kommt auch nicht mehr zurück. Insofern erleben wir das Ende einer Ära, was man durchaus symbolträchtig auffassen kann: Autokauf und schmales Budget, das geht immer weniger zusammen. Doch abgesehen vom Symbolwert hat der Schwund dieser speziellen Angebote wenig zu sagen – sie waren auf dem Markt nie besonders gefragt. Österreich ist, anders als romanische Länder wie Frankreich und Italien, ein Land der Kompaktklasse, sprich Golf und Konsorten.

Minderheit. Wer nur ein paar Tausender für den Autokauf zur Verfügung hat, streckt sich traditionell nicht nach den Billigheimern, sondern sondiert das Feld der Gebrauchten (wo die Preise allerdings auch kräftig angezogen haben). Und unter den 17 Modellen unter zehntausend waren sechs von Lada – der russische Anbieter wurde durch Putins Angriffskrieg aus dem Rennen geschossen. Spasibo!

Dennoch täuscht der Eindruck nicht, dass Neuwagen empfindlich teurer geworden sind; ein Trend, der absehbar nicht abflauen wird. Eher im Gegenteil. Besonders stark spürt man den Zug auf den billigeren Plätzen, zum Beispiel bei Dacia. Die Marke steht bei privaten Autokäufern hoch im Kurs. Das sollte man auch noch erläutern: Diese sind in Österreich eine Minderheit. Private machten im Vorjahr 33,5 Prozent der Neuzulassungen aus, der große Brocken sind gewerbliche Zulassungen, also Firmenautos.

Appetizer für die neue, kleine Elektroplattform, die ab 2025 aus dem VW-Konzern auf die Straße rollt: Cupra Urban Rebel – kein Modell, das sich als Preis-Revoluzzer einen Namen machen wird.
Appetizer für die neue, kleine Elektroplattform, die ab 2025 aus dem VW-Konzern auf die Straße rollt: Cupra Urban Rebel – kein Modell, das sich als Preis-Revoluzzer einen Namen machen wird.(c) Werk

Doch zurück zu Dacia, mit 90 Prozent privaten Kunden und dem kompakten Sandero als Nummer zwei unter den privat gekauften Autos in Österreich (Nummer eins: VW Tiguan). Der Sandero ist in den vier Jahren unseres Beobachtungszeitraums um 3400 Euro teurer geworden. Keine Summe, die bei einem, sagen wir, Mercedes der Rede wert wäre, wo man um den Betrag ein, zwei Aufpreis-Extras bestellt. Beim Sandero entspricht der Wert aber einer Preissteigerung von 44,8 Prozent. Und dennoch zieht kein wütender Mob zu den Dacia-Händlern. Denn die niedrigsten Tarife sind hier vielleicht Ehrensache, haben aber kaum Marktrelevanz. Dacia-Käufer wählen, je nach Modell, „zu 60 bis 90 Prozent die gehobenen Ausstattungen“. Sie finden zu der Marke nicht aus bitterer Not, sondern auf der Suche nach einem freundlichen Preis-Leistungs-Verhältnis, oftmals im Umstieg von höherpreisigen Marken – aber eben ohne, dass man es an etwas fehlen lassen wollte. Marken-Prestige? Verliert ganz schnell an Bedeutung, wenn man in die eigene Geldtasche greift. „Der Markt kommt zu uns“, fasst es Dacia-Österreich-Chef Martin Labaye zusammen.

Dümpeln. Auch Kia zählt zu den Herstellern, die 2018 ein Modell am untersten Rand der Preisliste aufboten. Doch jener Picanto dümpelte stets stabil zwar, aber doch nur im Bereich niedriger Stückzahlen herum. Was Gilbert Haake, Pressesprecher von Kia in Österreich, beobachtet, ist eine „Veränderung des Käuferverhaltens“, festgemacht am Faktor SUV und Elektro. War 2018 noch der Kia Rio (entspricht der Polo-Größe) um 12.000 Euro Kias Bestseller, „so sind es heute der Sportage (ein SUV, Anm.) um 40.000 Euro und der EV6 (ein Elektroauto) um 50.000 Euro“, so Haake.

Auch in den unteren Segmenten agierten die Käufer anders: „Es geht zum Cross-over und SUV oder SUVchen“, das koste nicht wahnsinnig viel mehr, schaue aber gleich nach mehr Auto aus. Wer sich wirklich das kleinste Auto kauft, tue das weniger aus Preisgründen als zum Beispiel wegen einer knapp bemessenen Garageneinfahrt.

Dass individuelle Mobilität, wie alles andere, grundsätzlich teurer wird, nimmt die Gesellschaft einstweilen hin – hoffentlich schon als Vorbereitung auf Kommendes. Denn in der Gemengelage, die zu den teuren Autos führt, ist absehbar keine Entspannung in Sicht. Die Chipkrise ist nicht bewältigt und wird noch für das gesamte nächste Jahr vorhergesagt. Die knappen Bauteile werden damit wie gehabt bevorzugt jenen Modellen und Baureihen zugeteilt, mit denen sich höhere Margen einfahren lassen: große und teure Autos, bei VW elektrisch angetriebene.

Quoten. Auch die Elektrifizierung ist ein Feind des billigen Autos. Die Entwicklungskosten sind die gleichen, ob großes oder kleines Auto. Also bevorzugen Hersteller das große, das sich teurer verkaufen lässt. Das billige Elektroauto ist nicht in Sicht: Tesla hat seine diesbezüglichen Pläne verworfen, und was aus dem VW-Konzern für frühestens 2025 angesagt ist, wird aus heutiger Sicht doch nicht 20.000, sondern kaum unter 25.000 Euro kosten.

Wer kann sich die teuren E-Autos, kurz BEV, leisten? Hauptsächlich gewerbliche Zulasser, die Steuervorteile mitnehmen und oft Quoten zu erfüllen haben. Nicht einmal jeder vierte Käufer eines BEV ist derzeit privat (Anteil im ersten Halbjahr 2022: 22,7 Prozent).

Auf dem Gebiet sieht Gilbert Haake von Kia ein Problem auf Organisationen wie Caritas oder Heimhilfen zurollen. Die zählten zu den verlässlichen Abnehmern der billigsten Autos, meist unter Marktpreis, ohne Gewinnmarge von den Importeuren übergeben. „Also um sechs- bis siebentausend Euro statt um zehntausend.“ Wenn aber das billigste E-Auto im Programm 40.000 Euro kostet, dann kämen bei allen Abzügen immer noch 30.000 Euro zusammen – das Vier- bis Fünffache. Die Anschaffung könne man aber auch nicht so einfach bleiben lassen: Körperschaften unterliegen einer EU-Quote, die einen gewissen Anteil an emissionsfreien Fahrzeugen im Fuhrpark vorschreibt.

Das derzeit billigste E-Auto auf dem Markt weist wohl den Weg: Es heißt Spring, kommt von Dacia und wird in China gebaut. Um 22.190 Euro gibt es freilich weder viel Platz noch Reichweite und nur einen von fünf Sternen in der NCAP-Sicherheitsbewertung. Bei den privat gekauften E-Autos ist der Spring derzeit die Nummer zwei. Was dem Spring einmal Konkurrenz machen könnte, kann eigentlich nur aus China kommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2022)

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