Die Eisenbahner haben mit ihrer Drohung ernst gemacht. Und auch in anderen Branchen stehen die Zeichen auf Streik. Wird künftig in Österreich öfter gestreikt? Und: Wie wirkt sich die neue Macht der Arbeitnehmer aus? Diskutieren Sie mit!
Streik im Bahnverkehr: Die Verhandlungen für einen neuen Bahnkollektivvertrag sind am Sonntag gescheitert. Am Montag, 28. November, standen daher die Züge in Österreich still. Frühestens am Dienstag wird wieder verhandelt. Die Forderungen lagen zuletzt weit auseinander. Obwohl die Arbeitgeber mit plus 8,44 Prozent ein recht hohes Angebot machten, reicht das der Gewerkschaft nicht. Sie wollen deutlich mehr und verweisen auf die rekordhohe Inflation, die im Oktober bei elf Prozent lag.
Auch in anderen Branchen könnte es zu Streiks kommen, zuletzt drohte der Handel mit Streiks am Freitag und Samstag (Update: Am 29. 11. wurde ein KV-Abschluss erreicht). Bereits vergangene Woche gab es Warnstreiks in den Wiener Ordensspitälern. Mehr Details zur aktuellen Lage und darüber, warum die Kollektivvertragsverhandlungen heuer so schwierig sind, lesen Sie im Erklär-Stück von Beate Lammer.
„Verhältnismäßig ist dieser Ausstand nicht“, schreibt Norbert Rief in einem Leitartikel. Er meint: „Und es wäre ein fatales Signal, würden die Forderungen der Gewerkschaft nach dem Ausstand durchgehen.“ Es drohe nämlich eine Lohn-Preis-Spirale, die die Inflation anheizt.
„Der Streik ist kein Österreicher“, bemerkt Julia Wenzel in einer Morgenglosse. Denn fast nirgendwo werde so selten gestreikt wie hierzulande. So entfielen zwischen 2011 und 2020 auf 1000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Schnitt lediglich zwei Streiktage. Anders als in anderen Ländern wie in Italien oder Frankreich sei die Arbeitsnierderlegung in Österreich traditionell „ultima ratio“ und nicht „Mittel zum Zweck“.
"Viele Menschen müssen sich nichts mehr aufbauen"
Doch wird sich das in naher Zukunft ändern? Wirtschaftsressortleiter Gerhard Hofer nimmt die aktuellen Entwicklungen zum Anlass, um in einer ausführlichen Analyse einen Blick auf die Veränderungen am Arbeitsmarkt zu werfen. Er zitiert eine ÖBB-Sprecherin, die sagt: „Heute muss man sich als Arbeitgeber bewerben“. Auch andere Personalberater und Unternehmer sehen das ähnlich. Hofer fragt sich: „Wer arbeitet noch, um ein besseres Leben zu haben?“ Und fasst die Ergebnisse seiner Recherchen so zusammen: „Viele er Menschen müssen sich nichts mehr aufbauen, diese kann man nicht mehr mit traditionellem Leistungsdenken und Karriereversprechen motivieren. Sie suchen Sinn, Spaß und immer öfter auch Sicherheit bei Vater Staat.“ Hinzu kommt, dass viele flexiblere und kürzere Arbeitszeiten fordern.
Die Arbeitnehmer haben heute andere Vorstellungen - und sie haben auch mehr Macht. Das schreibt Jeannine Hierländer. In vielen Bereichen drehe sich der Arbeitsmarkt nämlich von einem Arbeitgeber- zu einem Arbeitnehmermarkt. In einem solchen gibt es laut Definition zu wenig geeignetes Personal für zu viele offene Stellen. Was das bedeutet? Hierländer formuliert fünf Thesen.
Sie sprach unter anderem mit Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher, der davon ausgeht, dass sich auch in Bereichen, in denen die Löhne lange niedrig waren und es ein großes Armutsrisiko gegeben habe, sich „die Löhne entwickeln“ werden - was wiederum Folgen für die Konsumenten habe, etwa in der Gastronomie.
Doch bedeutet das alles auch, dass es künftig konfliktreicher zugeht auf dem von der Sozialpartnerschaft geprägten österreichischen Arbeitsmarkt?
(sk)
Diskutieren Sie mit: Wird es in Österreich künftig mehr Streiks geben? Und wie wirkt sich die neue Macht der Arbeitnehmer generell auf den Arbeitsmarkt und die Wirtschaft aus?