Quergeschrieben

„Wurm im linken Stamm“: Woke Identitäter und ihre Beißhemmung

Vielleicht sollte Heinz Fischer lieber wieder auf die Toilette gehen, anstatt in Zeiten wie diesen Irans Botschafter im Ban Ki-moon Zentrum zu empfangen.

Seit am 16. September die 22-jährige iranische Kurdin Mahsa Amini mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von der iranischen Sittenpolizei totgeprügelt wurde, nehmen Frauen im Iran den Hidschab ab, lassen die Haare im Wind flattern, küssen ihre Partner in der Öffentlichkeit – lauter Handlungen, die seit der Islamischen Revolution 1979 verboten sind. Immer mehr Männer schließen sich der Bewegung an. Zuletzt, beeindruckend, der stille Protest der iranischen Fußballmannschaft bei der WM in Katar.

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Die Welt? Naja. Schweigt auch. Aber nicht aus Mut. Seit 2006 wurde Israel vom UN-Menschenrechtsrat neunzig Mal verurteilt – öfter als Syrien, Nordkorea, Iran, Jemen und Venezuela zusammen. Nun brauchte es mehr als zwei Monate, bis das UN-Gremium in die Gänge kam und einer von Deutschland und Island angestoßene Resolution gegen den Iran zustimmte. Die Drohung des iranischen Außenministeriums gegen die Resolutionäre folgte prompt: Es handle sich um einen großen strategischen Fehler, „der Lauf der Zeit wird zeigen, dass diese politische Kurzsichtigkeit nicht zugunsten ihrer Interessen sein wird.“ Auch linke Intellektuelle wie die Philosophin und Gender-Chefdenkerin Judith Butler schweigen. Oder glaubt die BDS-Sympathisantin immer noch, die Burka sei ein Symbol dafür, „dass eine Frau bescheiden ist und ihrer Familie verbunden; Die Burka zu verlieren bedeutet mithin auch, einen gewissen Verlust dieser Verwandtschaftsbande zu erleiden, den man nicht unterstützen sollte. Der Verlust der Burka kann eine Erfahrung von Entfremdung und Zwangsverwestlichung mit sich bringen“? Indes ruft die in den USA lebende Exil-Iranerin Masih Alinejad, auf deren 2014 gegründeter Online-Plattform „My Stealthy Freedom“ („Meine heimliche Freiheit“) Iranerinnen Fotos von sich ohne Kopftuch posten können, zu internationaler Solidarität auf: „Es ist an der Zeit, dass alle Frauen rund um den Globus für die iranischen Frauen demonstrieren, die getötet werden sollen, weil sie NEIN zur Geschlechter-Apartheid sagen! Lasst diese Frauen nicht im Stich! Die Regierungen der Industrie-Nationen müssen den politischen Druck auf Iran erhöhen. Verhindert diese Massaker!“ Doch wo bleibt der Druck? Wann gibt es Sanktionen, werden im Westen geparkte Vermögen der iranischen Elite eingefroren, Fluglandeverbote ausgesprochen und der Botschafter ausgewiesen, so wie es jüngst iranischstämmige Österreicherinnen und Österreicher in einer Petition forderten, weil sie Bespitzelung und in weiterer Folge Repressionen für sich, vor allem aber für ihre im Iran lebenden Verwandten befürchten? Nach dem gewaltsamen Erstickungstod von George Floyd protestierten allein in Wien 30.000 Menschen gegen Rassismus. Wann gibt es die „Iranian Lives Matter“-Demonstration nach dem Vorbild der „Black Lives Matter“-Bewegung? Wann das „Frau.Leben.Freiheit“-Lichtermeer am Ring? Immerhin 5000 Menschen waren bei der bisher größten Solidaritäts-Demo. Aber gerade woke Identitäter laborieren bei islamistischen Klerikalfaschisten offenbar an Beißhemmung. „Das erste Mal seit Jahren, dass die Linke zum Beispiel in Österreich wirklich auffiel, war durch ihr Fehlen bei den Iran-Demos“, diagnostizierte der (linke) Publizist Richard Schuberth in der (linken) deutschen Wochenzeitschrift „Jungle World“ hart, aber unherzlich: In der beschämenden Gleichgültigkeit gegenüber den iranischen Aufständischen und ihren Motiven zeige sich, „wo im linken Stamm überall der Wurm drin ist.“

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