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„Another Love“ ist jetzt ein Protest-Song

July 17 2013 London London UK London UK Tom Odell performing live at Somerset House Tom Od
July 17 2013 London London UK London UK Tom Odell performing live at Somerset House Tom Od(c) imago/ZUMA Press (imago stock&people)
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Die Tränen sind doch noch nicht aufgebraucht: Tom Odells zehn Jahre alter Liebessong erklimmt derzeit die Charts – aus Solidarität mit den Demonstrantinnen im Iran.

Sehr dramatisch und ein bisschen repetitiv, das klingt wie ein Widerspruch, in Tom Odells Nummer „Another Love“ ist dieser jedoch vereint. Vor zehn Jahren feiert der damals 22-Jährige mit dem Lied über die Wunden, die eine alten Liebe in ihm hinterlassen hat, einen Welterfolg. Derzeit erlebt sein Song ein erstaunliches Revival: In Österreich belegt er Platz acht der Charts, in Deutschland Platz neun. Das liegt am Text.

Im Refrain beklagt der Singer-Songwriter, dass er gerne weinen möchte, er aber keine Tränen mehr übrig habe, weil er sie aufgebraucht habe. Insgesamt hat der Song des Gestus eines Besiegten, der aber nicht aufgeben will. In der Strophe wird das noch deutlicher: „And if somebody hurts you, I wanna fight/ But my hands been broken one too many times/ So I'll use my voice, I'll be so fucking rude/ Words they always win, but I know I'll lose“, singt Odell in dem Song. Übersetzt etwa: Wenn jemand Dir wehtut, will ich kämpfen, aber meine Hände sind zu oft gebrochen worden. Deshalb nutze ich meine Stimme, ich werde so verdammt unhöflich sein. Worte werden immer gewinnen, auch wenn ich weiß, dass ich verlieren werde.

Es sind diese Zeilen, wegen der Menschen „Another Love“ zum Protestsong uminterpretiert haben – aus Solidarität mit den Demonstrantinnen und Demonstranten im Iran. In dem islamischen Land gehen nach dem Tod einer jungen Frau in Polizeigewahrsam im September Tausende auf die Straße und protestieren für Frauenrechte und gegen die Regierung.

In sozialen Medien haben Frauen, die sich etwa in Solidarität mit den Iranerinnen Haare abschneiden, ihre Aktion oft mit dem Song unterlegt. Im Oktober sang die Komikerin und Sängerin Carolin Kebekus ihn in ihrer Fernsehshow. Sie sagte, Iranerinnen, die sich nicht frei äußern können, bäten andere darum, ihre Stimme für sie zu erheben. Der Sender schaltete dann von Kebekus auf den Platz vor den Kölner Dom, wo Hunderte mit Kerzen in der Hand in den Song einstimmten.

Wie aber kommt das Lied nach so vielen Jahren wieder in die Charts? „Ein Song muss häufig gestreamt werden, aber es zählen auch Downloads oder echte Platten“, sagt Hans Schmucker von GfK Entertainment, die jede Woche die offiziellen deutschen Charts erstellen. „Wer am meisten Umsatz generiert, landet am Ende auf Platz eins.“ Beschleuniger seien die sozialen Medien. „Tiktok ist ganz wichtig geworden, das ist ja fest in der jüngeren Zielgruppe verankert", sagt er. Dort gebe es viele Videoschnipsel von dem Song. „Das hat dann richtig Wucht.“

Odell spielte Song für Flüchtlinge aus der Ukraine

Odell hat seinen Song aber auch selbst schon mal als Mutmacher in Position gebracht: Im März setzte er sich in einem Bahnhof in Rumänien ans Klavier und spielte „Another Love“ für ankommende Flüchtlinge aus der Ukraine. Auch da kletterte das Lied bereits hier und da wieder in die Charts. Bei einem Konzert in Hannover widmete er den Song im September den Frauen im Iran. „Wir sind hier in Hannover vielleicht weit weg vom Iran, aber ich hoffe und glaube, ich spreche für jeden hier im Saal, dass wir zusammen einstehen für jeden, der für die Menschen- und Frauenrechte kämpft“, sagte er dort.

Im Iran selbst spielt „Another Love“ kaum eine Rolle. Dort ist ein anderer Song zur Protesthymne geworden: „Baraye“. Der Sänger Scherwin Hadschipur stellt die Ballade zu Beginn der Proteste aus Tweets zusammen, in denen Protestierende schrieben, warum sie auf die Straße gehen. Er wurde festgenommen und musste sich - wahrscheinlich unter massiver Einschüchterung - dafür entschuldigen. Der Song ist aber geblieben.

(APA/dpa)

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