Umfragen

Anklageschrift gegen Sophie Karmasin liegt vor

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Die Ex-ÖVP-Familienministerin muss sich wegen des Verdachts der Kartellbildung und des schweren Betrugs verantworten. Ihr drohen bis zu drei Jahre Haft.

Sophie Karmasin, Familienministerin unter den ÖVP-Vizekanzlern Michael Spindelegger und Reinhold Mitterlehner, muss sich vor Gericht verantworten. Der „Presse“ liegt die Anklageschrift vor. Es geht um wettbewerbsrechtliche Absprachen und schweren Betrug. Es drohen drei Jahre Haft.

Ex-Familienministerin Sophie Karmasin war schon einmal im Gefängnis. Im Frühjahr dieses Jahres wurde sie 26 Tage lang in eine – äußerst umstrittene – U-Haft genommen, nachdem zwei ehemalige Geschäftspartnerinnen gegen sie ausgesagt hatten. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) suchte daraufhin um einen Kronzeugenstatus für die Meinungsforscherin Sabine Beinschab an.

In der Anklage geht es um Umfragen, die Karmasin nach ihrem Ausscheiden aus der Politik für die öffentliche Hand gemacht haben soll. Und Scheinangebote, die ihre Komplizinnen gestellt haben sollen, damit Karmasin am Ende des Tages den Zuschlag als Bestbieterin erhielt. Die WKStA ortet „wettbewerbsbeschränkende Absprachen“ rund um drei Studien für das Sportministerium ab dem Jahr 2019. Ein ehemals leitender Beamter des Ministeriums wird ebenfalls auf der Anklagebank sitzen. Er soll sich mit der Meinungsforscherin dahingehend akkordiert haben, „bei welchen Unternehmen die im Vergabeverfahren erforderlichen Angebote eingeholt werden sollten“.

Verbotene Nebentätigkeiten

Außerdem wird Karmasin schwerer Betrug vorgeworfen – das geht auf Recherchen des ORF-Journalisten Martin Thür zurück. Er hatte herausgefunden, dass Karmasin nach ihrem Ausscheiden aus der Politik im Jahr 2018 eine Fortzahlung ihres Ministergehalts in Anspruch genommen hatte. Das bedingt auch ein Verbot von Nebenverdiensten. Karmasin soll einen Auftraggeber um eine spätere Rechnungslegung gebeten haben, um keine Probleme zu bekommen – es geht um einen Vortrag und ein Honorar von wenigen Hundert Euro. Karmasin hatte die Fortzahlung von 78.589,95 Euro übrigens auf Anraten ihres Anwalts im Zuge der Ermittlungen in zwei Tranchen zurückbezahlt und hofft darum wohl auf tätige Reue.

Die WKStA sieht das anders: Karmasin sei sich sehr wohl darüber bewusst gewesen, dass Zusatzeinkünfte verboten seien. Das gehe aus entsprechender E-Mail-Kommunikation hervor. Sie schrieb einem Beamten im Bundeskanlzeramt: „Bitte sagen Sie mir noch, ob ich während der Entgeltfortzahlung dazuverdienen darf.“ Der Beamte teilte ihr daraufhin mit, „dass ein Zuverdienst – auch ein geringfügiger – während Bezugsfortzahlung nicht möglich sei“. Karmasin fragt dann noch einmal nach, ob eine solche Erwerbstätigkeit „also auch z. B. ein Vortrag im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit“ wäre. Er bejahte. Am selben Tag soll Karmasin einem Beamten, der für die Prüfung ihres Antrags auf Bezugsfortzahlung zuständig war, mitgeteilt haben, dass sie in der Zeit der Fortzahlung „nichts verdienen“ werde.

„Wir können bestätigen, dass wir die Anklageschrift heute bekommen haben. Die Vorwürfe sind unverändert und insofern hinlänglich bekannt. Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir dem Gericht unseren Standpunkt umfassend darlegen werden können und gehen von einem positiven Ausgang bezüglich des Verfahrens aus“, sagt Norbert Wess zur „Presse“, der Karmasin gemeinsam mit Philipp Wolm verteidigt. Die Verhandlung wird vor einem Schöffenbericht am Landesgericht Wien stattfinden. Ein Termin steht noch nicht fest.

Ermittlungen laufen noch

Zu anderen Sachverhalten laufen die Ermittlungen gegen Karmasin noch und sind darum nicht von der Anklage umfasst: Die WKStA verdächtigt sie, gemeinsam mit Ex-Kanzler Sebsatian Kurz (ÖVP) und seinem engsten Umfeld Umfragen zugunsten der ÖVP durchgeführt sowie manipuliert zu haben, die über das Boulevardblatt „Österreich“ ventiliert worden sein sollen. Das Finanzministerium soll bezahlt haben. Das Modell soll federführend von Karmasins Komplizin Beinschab geplant worden sein. Karmasin soll dann – neben ihren Ministereinkünften – 20 Prozent der Auftragssumme als Provision erhalten haben. Alle Genannten bestreiten die Vorwürfe.

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