Ungarn hat sich im Ringen mit Brüssel verspekuliert. Die Reformverweigerung kann das Land um den Großteil seiner EU-Subventionen bringen.
Der Krug geht so lang zum Brunnen, bis er bricht: Am Mittwoch traf die Europäische Kommission die historische Entscheidung, sich erstmals für die Sperrung eines Großteils der EU-Subventionen an einen Mitgliedstaat auszusprechen. Die von Ungarn bis zum 19. November versprochenen Reformen, welche die Unabhängigkeit der ungarischen Justiz wiederherstellen und Maßnahmen gegen die grassierende Korruption und Vetternwirtschaft schaffen sollten, seien ungenügend, resümiert die Kommission in ihrer 38-seitigen schriftlichen Begründung. Es drohe weiterhin Missbrauch des Geldes der europäischen Steuerzahler in Orbáns System. Bissiger Nachsatz der Kommission: „Das wird durch Bedenken über die Verwaltungspraktiken in Ungarn erschwert.“ Nun müssen die Finanzminister der EU bis 19. Dezember entscheiden, ob sie dieser Empfehlung folgen – und Ungarn 13,3 Milliarden Euro vorenthalten bleiben.
1. Wie viel Geld aus dem EU-Budget droht Ungarn nun zu verlieren?
Der Zugang zu zwei Geldtöpfen droht der Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orbán zu entgleiten. Erstens geht es um 7,5 Milliarden Euro an Kohäsionsförderungen, die Ungarn im Haushaltsrahmen der Jahre 2021 bis 2027 zustünden. Das sind 65 Prozent der gesamten Kohäsionsförderungen, auf die Ungarn Anspruch hat. Zweitens geht es um 5,8 Milliarden Euro, die Ungarn aus der sogenannten Aufbau- und Resilienzfazilität zustehen, also aus dem Corona-Wiederaufbaufonds. Immerhin hat die Kommission Ungarns Aufbau- und Resilienzplan gebilligt, also die Grundlage für die etwaige künftige Freigabe der 5,8 Milliarden Euro. Damit bleibt Orbán das Debakel erspart, dass Ungarn 70 Prozent davon, also rund vier Milliarden Euro, unwiederbringlich verliert.