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"Licht ins Dunkel": Abschaffung wäre "großer Schaden"

'Die Gala für Licht ins Dunkel', am 18.11.202 im ORF.
'Die Gala für Licht ins Dunkel', am 18.11.202 im ORF.(c) ORF (Roman Zach-Kiesling)
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Pius Strobl, Chef des Humanitarian Broadcasting im ORF, sieht die Menschen nicht als Bittsteller dargestellt. In einer kritischen Doku werde mit veralteten Beispielen gearbeitet. ORF-Chef Weißmann lädt zu einem runden Tisch.

Über die Spendenaktion "Licht ins Dunkel" ist nach der Veröffentlichung einer kritischen "andererseits"-Dokumentation eine Diskussion entbrannt. ORF-Generaldirektor Roland Weißmann will die von Menschen mit Behinderung, Branchenvertretern und Experten geäußerte Kritik ernst nehmen: Er werde im Jänner zu einem breit angesetzten runden Tisch laden. Und diskutieren, wie man mit der Spendenaktion in die Zukunft umgehen könne.

Pius Strobl dagegen, Chef des Humanitarian Broadcasting im ORF, kann die geäußerte Kritik, Menschen mit Behinderung würden als Bittsteller dargestellt, nicht nachvollziehen. Und er warnt: "Eine Abschaffung wäre möglich, sie würde nur sehr großen Schaden anrichten.“ In der Dokumentation wird darauf gepocht, dass die Politik Maßnahmen setzen müsse, sodass Spenden - wie sie öffentlichkeitswirksam etwa im Rahmen der ORF-"Licht ins Dunkel"-Spendengala zu Weihnachten im Beisein zahlreicher hochrangiger Politikerinnen und Politiker gesammelt werden - nicht länger als Ersatz herhalten müssen.

"Ich bin dafür, dass jeder Mensch alles bekommt, was er benötigt, um ein selbstständiges Leben führen zu können. Die Frage ist, wann es soweit sein wird? Es wird womöglich noch eine Weile dauern", so Strobl. Bis dahin sei er froh, dass es Vereine wie "Licht ins Dunkel" gibt, für den der ORF als mediale Bühne dient.

"Ist da jemand?“ nicht mehr Teil der Kampagne

Dass Menschen mit Behinderung im Rahmen von "Licht ins Dunkel"-Sendungen als Bittsteller dargestellt werden bzw. deren Behinderung als etwas Schlechtes im Mittelpunkt steht, bestreitet Strobl. "Das ist eine Behauptung und nicht mit Fakten belegt." Jeder könne sich selbst ein Bild von der Sendung machen und möge im Anschluss ein Beispiel nennen. In der Dokumentation werde mit veralteten Beispielen gearbeitet. So sei etwa der kritisierte Zusatz "Ist da jemand?" seit 2001 nicht mehr Teil der Kampagne.

Presse-Podcast

Kritik an "Licht ins Dunkel": Gehört die Spendenaktion abgeschafft? Zu hören in dieser Folge sind Katharina Brunner von "Andererseits" und Pius Strobl vom ORF.

Mittlerweile habe man die Marke - zu der Strobl steht- mit dem Zusatz "den Menschen sehen" aufgeladen. "Licht ins Dunkel" habe sich immer wieder reformiert, und es sei das Bestreben der ORF-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter im Sinne von Menschen mit Behinderung, diese Aktion zeitgerecht zu gestalten. Der ORF befinde sich dazu auch im Austausch mit einem Expertenbeirat, in dem die größten Behindertenverbände präsent seien.

Dass der ORF Politikerinnen und Politikern im Rahmen der Gala eine Plattform biete und so den Druck auf sie mindere, die Sozialgesetzgebung voranzutreiben, sieht Strobl nicht so. "Mir ist nicht bekannt, dass irgendein Politiker jemals gesagt hat, er war bei der Gala und muss jetzt nichts mehr tun." Die Lobby für Menschen mit Behinderung sei dafür auch "viel zu rege, als dass sich die Politik abputzen könnte".

Spenden von 20 Millionen Euro im Jahr

Auch befrage der ORF Politiker unter dem Jahr regelmäßig kritisch zur Weiterentwicklung des Sozialsystems. "Licht ins Dunkel"-Spenden machen rund 20 Millionen Euro im Jahr aus. Demgegenüber stehe ein milliardenschweres Sozialsystem. "Diese 20 Millionen Euro können kein System erhalten, aber sie können die vorhandenen und erkennbaren Lücken zu einem nicht unerheblichen Teil füllen", meint Strobl.

Mitreden

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Kritik setzte es auch daran, dass Unternehmen bei der "Licht ins Dunkel"-Gala eine Bühne erhalten, die teils hohe Summen an Ausgleichstaxe für die Nicht-Beschäftigung von Menschen mit Behinderung zahlen. Strobl tritt dafür ein, die Spenden von Firmen getrennt von der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung zu sehen. Er selbst sei dafür, die Ausgleichstaxen so stark zu erhöhen, dass damit Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung finanziert werden könnten.

Ob der ORF Ausgleichstaxe entrichten muss, wurde in der Reportage von "andererseits" nicht beantwortet. Für Jänner 2023 hat der ORF aber den Start der siebenmonatigen Ausbildung "Inklusive Medienpraxis" in Kooperation mit dem AMS für acht Teilnehmerinnen und Teilnehmer geplant. Dabei wird Basiswissen vermittelt und in verschiedenen Redaktionen praktische Erfahrung gesammelt. Seit 2020 ist die "Inklusive Lehrredaktion" am Laufen, wobei ebenfalls acht Personen mit einer Lernbehinderung im Bereich Journalismus ausgebildet werden und etwa Meldungen für news.ORF.at verfassen. Seit Juni dieses Jahres ist ein erster Redakteur mit Lernbehinderung angestellt.

(APA)

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