Morgenglosse

Die Wiener SPÖ, Gefangene des eigenen Schmähs

Am Freitag beginnt die U-Kommission zur Causa Wien Energie. Wozu eigentlich? Für die SPÖ steht das Ergebnis schon fest. Die muss es ja wissen.

Alles richtig gemacht. Kommt Ihnen diese Wendung bekannt vor? Wenn ja, dann bitte nicht aussteigen! Eilige können aber zum nächsten Absatz springen. Die Wendung stammt aus einer Zeit, als Ischgl plötzlich Corona-Hotspot Europas war. Der damalige Tiroler Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg aus der ÖVP wurde 2020 über Nacht in Österreich weltberühmt. Er verwendete in einem ZiB2-Interview mit Armin Wolf wieder und wieder genau diese Formel. 

Alles richtig gemacht. Dieses Urteil steht jetzt auch zur Causa Wien Energie fest. Jedenfalls für die Wiener SPÖ. Deren Fraktionschef in der Untersuchungs-Kommission, Thomas Reindl, hat es gesprochen. Bevor noch überhaupt die erste Sitzung der U-Kommission am Freitagvormittag begonnen hat. Bevor das erste Dokument vorgelegt und gesichtet wurde, die erste Auskunftsperson die erste Frage beantwortet hat. Das ist viel sagend und lässt tief blicken.

Bürgermeister Michael Ludwig, Finanz- und Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke, die Manager der Wiener Stadtwerke und deren Tochter Wien Energie haben also laut SPÖ zu jedem Zeitpunkt die optimale Entscheidung getroffen. Als es darum ging, plötzlich einem gefährlichen Liquiditätsengpass von Wien Energie zu begegnen. Explodierende Gas- und Strompreise haben das Unternehmen der Stadt Wien ja im Sommer kurzfristig ins Wanken gebracht.

Keine dummen Fragen stellen

Was die SPÖ meint, aber so direkt nicht zu sagen wagt: Die Opposition soll doch jetzt keine dummen Fragen stellen (wie die SPÖ ungeniert in den 1970er-Jahren plakatiert hat). Die Wiener Stadtverwaltung hat das Beste getan. Von den 1,4 Milliarden Euro, die der Bürgermeister aus Steuermitteln in zwei zunächst geheimen Aktionen dem Unternehmen überwiesen hat, sind ja ganze 1,25 Milliarden mittlerweile wieder zurückgezahlt. Wozu die Aufregung! Alles gut gegangen! Alles richtig gemacht. Oder?

Keine Lehren für die Zukunft, die gezogen werden müssen? Null? Das alles könnte also genau so wieder passieren? Und wenn es schlimmer kommt, müssten die Steuerzahler tatsächlich dafür gerade stehen? Nichts, was falsch gelaufen ist? Kein Fehler passiert?

Die Wiener SPÖ ist Gefangene ihres eigenen Schmähs: Immer schon ist alles gut gelaufen in der am besten verwalteten Stadt des Erdkreises, Fehler gibt es nicht im roten Wien, Probleme sind von böswilligen (gibt es für die SPÖ auch andere?) Oppositionspolitikern und Medien erfunden oder, wenn Missstände gar nicht mehr zu leugnen sind, dann ist eben der Bund schuld. Eine erwachsene, konstruktive Fehlerkultur sieht anders aus. Nur zur Klarstellung sehr klar gesagt: Es ist ganz und gar nicht alles schlecht, was in Wien läuft. Aber auch ganz und gar nicht alles gut.

Bei aller Liebe für den Wiener Schmäh: Man kann ihn übertreiben – sogar maßlos.   

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