Interview

Nachgefragt: Wie nachhaltig sind Universitäten?

Das Haus der Physik der Universität Innsbruck wird energieeffizient gebaut.
Das Haus der Physik der Universität Innsbruck wird energieeffizient gebaut.(c) Filippo Bolognese
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„Die Presse“ spricht mit Rektoren österreichischer Hochschulen über aktuelle Themen. Diesmal mit Edeltraud Hanappi-Egger von der WU Wien, Tilmann Märk von der Uni Innsbruck und Eva Schulev-Steindl von der Boku.

Die Presse: Welche Dimensionen umfasst „Nachhaltigkeit“ an Ihrer Universität?

Edeltraud Hanappi-Egger: Die WU Wien ist schon einen Schritt weiter und spricht eher von „Responsibility“. Sie sieht sich selbst als eine Responsible University und bemüht sich um einen positiven Einfluss auf Gesellschaft und Wirtschaft, vor allem in Hinblick auf zukunftsfähiges Wirtschaften.
Tilmann Märk: In der Nachhaltigkeitsstrategie der Universität Innsbruck, die von unserem Nachhaltigkeitsbeirat erarbeitet wurde, ist als Grundsatz festgehalten, dass wir unser Handeln so ausrichten, dass eine dauerhafte Befriedigung der Bedürfnisse auch für künftige Generationen möglich ist. Daher muss mit den vorhandenen Ressourcen gewirtschaftet werden, ohne die Grenzen der ökologischen, ökonomischen und sozialen Tragfähigkeit zu überschreiten.
Eva Schulev-Steindl: Nachhaltigkeit wird an der Boku als sogenannter „Whole institution“-Ansatz verfolgt, das heißt, es geht um die Berücksichtigung ökologischer und sozialer Belange in allen Bereichen der Universität. Die Boku ist sich ihrer hohen Verantwortung gegenüber der Gesellschaft bewusst und verfolgt seit 2014 eine Nachhaltigkeitsstrategie.

Spielt Nachhaltigkeit beim (Zu-)Bauen der Universität eine Rolle?

Hanappi-Egger: Bei der Errichtung des Campus wurde größter Wert auf ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit gelegt. Er wurde auf Basis des Green-Building-Konzepts errichtet. Zur Optimierung und Verbesserung umweltrelevanter Aktivitäten hat die WU ein Umweltmanagementsystem eingeführt.
Märk: In Zusammenarbeit mit der Bundesimmobiliengesellschaft achten wir auf eine energieeffiziente Bauweise und die Nutzung nachhaltiger Energiequellen, beispielsweise aktuell bei der Planung für das neue Haus der Physik.
Schulev-Steindl: Bei allen Neubauvorhaben der Boku werden in der Projektentwicklung Nachhaltigkeitsziele gesetzt und Bewertungssysteme für nachhaltiges Bauen projektbegleitend zur Qualitätssicherung eingesetzt. Aktuelles Beispiel: das 2022 fertiggestellte Ilse-Wallentin-Haus. Hier war neben der Energieeffizienz auch die Baustoffeffizienz ein großer Schwerpunkt: Durch die Holzmassivbauweise werden rund 1000 Tonnen CO2 gespeichert.

Gibt es einen Bereich, in dem Sie sich als Vorreiter sehen?

Hanappi-Egger: Die WU hatte 2019 den ersten im laufenden Betrieb klimaneutralen Universitätscampus. Die WU hat auf dem Campus ein aktives Energie- und Abfallmanagement. Green-IT und Green Events sind ebenfalls Themen, genauso wie die Urban Gardens, die WU-Angehörigen zur Verfügung stehen, und die Bienenstöcke auf einem Dach.
Märk: Wir beziehen seit über fünf Jahren zu 100 Prozent Strom aus zertifizierten erneuerbaren Quellen. Dadurch sparen wir rund 6000 Tonnen CO2 pro Jahr und leisten einen wichtigen Beitrag zur Reduktion von Treibhausgasemissionen und zum Ausbau der erneuerbaren Energien.
Schulev-Steindl: Die Boku war die erste Emas-zertifizierte Universität in Österreich – ein europäisches Standard für Umweltmanagement. Um die Nachhaltigkeitsvorhaben im Universitätsbetrieb weiter voranzubringen, wurde das Netzwerk Umweltmanagement gegründet.

Wird Nachhaltigkeit in Ihren Studienplänen berücksichtigt?

Hanappi-Egger: Bereits im ersten Jahr der Bachelorstudien ist das Thema im Studienplan unter dem Titel „Zukunftsfähiges Wirtschaften“ verankert, auch gibt es weiterführende Spezialisierungen in diesem Bereich. Darüber hinaus bietet die WU mehrere Masterstudien beispielsweise Socio-Ecological Economics and Policy an.
Märk: Neben verschiedenen Angeboten in den Curricula unserer 16 Fakultäten bieten wir auch ein interdisziplinäres Wahlpaket Nachhaltigkeit an. Dieses kann grundsätzlich von allen Studierenden im Bachelor besucht werden und vermittelt einen umfassenden Überblick über das Thema Nachhaltigkeit aus verschiedensten Gesichtspunkten.
Schulev-Steindl: Die Fachkenntnisse im Nachhaltigkeitsbereich sind sehr stark in den Studienplänen berücksichtigt. Es geht neben Fachwissen vor allem auch um Ziel- und Transformationswissen: Wie kann eine nachhaltige Zukunft aussehen und ein dementsprechender Wandel vorangetrieben werden? Die für eine nachhaltige Entwicklung besonders wichtige Zusammenarbeit zwischen den Disziplinen und den gesellschaftlichen Akteuren soll in Lehre und Forschung der Boku gestärkt werden.

Hat sich das Bewusstsein für Nachhaltigkeit bei Studierenden und Lehrenden verändert?

Hanappi-Egger: Das Thema hat sicherlich an Bedeutung gewonnen, vor allem in der öffentlichen Wahrnehmung. Entsprechend ist auch die Nachfrage nach Vermittlung von Wissen in diesem Bereich gestiegen.
Märk: Das Bewusstsein ist, sowohl bei Studierenden als auch bei Lehrenden, in den letzten Jahren immer stärker geworden.
Schulev-Steindl: Aus meiner eigenen Erfahrung und Gesprächen mit Lehrenden und Studierenden kann ich sagen, dass Nachhaltigkeit wichtig ist und stark an Bedeutung gewonnen hat. Angesichts der zunehmenden Dringlichkeit der Herausforderungen ist das auch keine Überraschung.

Hielt Nachhaltigkeit vor dem Lehrplan im Alltag Einzug oder umgekehrt?

Hanappi-Egger: Ich denke, es war zuerst Thema in der Forschung.
Märk: In der Lehre, und auch in der Forschung, ist Nachhaltigkeit seit Jahrzehnten ein Thema. Im Alltag hat Nachhaltigkeit dagegen erst in der jüngeren Vergangenheit eine breite Bedeutung bekommen, die aber erfreulicherweise stetig zunimmt.
Schulev-Steindl: Die Boku ist traditionell eine Universität mit starkem Nachhaltigkeitsbezug – allein aufgrund ihrer Geschichte als land- und forstwirtschaftliche Ausbildungs- und Forschungsstätte. Nachhaltigkeitsaspekte waren an der Boku in den Lehrplänen von Anfang an vertreten. Im Alltag hat eine Ausgewogenheit von sozialen, ökologischen und ökonomischen Aspekten wahrscheinlich ebenso schon immer eine Rolle gespielt – als Nachhaltigkeit im Betrieb wird dies aber erst seit circa 20 Jahren betitelt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2022)

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