Literatur

Wo bitte ist die väterliche Asche?

Lukas Bärfuss, Büchner-Preisträger 2019.
Lukas Bärfuss, Büchner-Preisträger 2019.(c) Lea Meienberg
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Nachdenken über Herkunft und Besitz: „Vaters Kiste“ von Lukas Bärfuss.

Eine Bananenschachtel aus dem Besitz des Vaters bildet den Erzählanlass für „Vaters Kiste“, einer „Geschichte über das Erben“, so der Untertitel des neuen Buches des vielfach ausgezeichneten Schweizer Autors Lukas Bärfuss, Jahrgang 1971. Jahrzehntelang ist die Schachtel mit Bärfuss von Wohnung zu Wohnung gezogen, nie hat er sie geöffnet, denn die Erinnerung an den Vater ist keine einfache: Immer in gravierenden finanziellen Problemen, verbringt er die Zeit von Bärfuss' Kindheit im Gefängnis, Kontakt zur Familie gibt es keinen, und als der Vater schließlich mit 56 als Obdachloser stirbt, muss der Sohn eine Reihe von Bestattungsunternehmen durchtelefonieren, um herauszufinden, wo er die väterliche Asche abholen darf. Das Erbe des Vaters hat der Sohn damals natürlich ausgeschlagen, es bestand nur aus Schulden, die Kiste aber ist ihm geblieben . . .

Wie in seinem Roman „Koala“, in dem Bärfuss über den Selbstmord seines Halbbruders nachdenkt und davon ausgehend gesellschaftspolitische Standpunkte entwickelt, dient auch in „Vaters Kiste“ Bärfuss' eigene Stammfamilie, das konkrete, persönliche dysfunktionale Verhältnis zwischen Vater und Sohn, dazu, allgemeiner über die Begriffe nachzudenken, die es konstituieren: über Wesen und Bedeutung von Familie, von Herkunft und auch von Privateigentum – jener Begriff, auf dem die neoliberale Gesellschaft so wesentlich basiert.

Ausgehend von der Frage, was „das Problem“ der Familie sei, das ihn, der zwar keine gelebte Beziehung zu seinem Vater hatte, dennoch zeitlebens zu ihm in Relation steht, so sehr beschäftigt, kommt Bärfuss auf den Begriff der Herkunft und damit auf Charles Darwin. Er stellt fest, dass Sozialdarwinismus zwar ethisch und sozial in dieser Gesellschaft abgelehnt wird, sie seinen Prinzipien jedoch weitgehend folgt und Privateigentum in allen Sphären – bis auf jener des Abfalls, wie Bärfuss hervorhebt –, eine gefährlich dominante, geradezu selbstverständliche Bedeutung zuschreibt.

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