Neurobiologie

Babys nehmen Welt wahr wie Erwachsene – nur langsamer

Bisher war unklar, ob die visuelle Wahrnehmung im Gehirn von Babys vor deren Spracherwerb fundamental anders ist als bei Erwachsenen.
Bisher war unklar, ob die visuelle Wahrnehmung im Gehirn von Babys vor deren Spracherwerb fundamental anders ist als bei Erwachsenen.(c) IMAGO/Shotshop
  • Drucken

EEG-Auswertungen zeigen: Kinderhirne verstehen Kategorien, bevor die Sprache ausgebildet ist.

„Wie kann das Baby denken, wenn es keine Wörter und Sätze kennt?“, fragt der große Bruder mit Blick aufs Geschwisterchen. Eine Antwort liefert nun ein Team der Uni Wien mit der Freien Universität Berlin. Die Forschenden blicken mittels EEG-Hauben (Elektroenzephalografie) in die Gedankenwelt von Babys. Die Gehirnstromanalysen lassen auch bei sechs bis acht Monate alten Kindern, die der Sprache noch nicht mächtig sind, erkennen, was im Hirn passiert, wenn Sachen betrachtet werden.

Wir wissen, dass blitzschnelle Entscheidungen wichtig sind, um sich im Alltag zurechtzufinden. Visuelle Eindrücke sortiert das Gehirn in Kategorien: Tisch oder Sessel – Auto oder Mensch? Bisher war unklar, ob die visuelle Wahrnehmung im Gehirn von Babys vor deren Spracherwerb fundamental anders ist als bei Erwachsenen. In Current Biology präsentieren die Psychologinnen und Psychologen, dass die grundlegenden Vorgänge sehr ähnlich sind, wenn sich Babys und Erwachsene jeweils mehr als 100 Bilder von Menschen, Spielzeugen und Häusern anschauen.

„Wir konnten beobachten, dass Babys die verschiedenen Bilder bereits in Kategorien wie Gesichter und Spielzeuge einordnen, aber sie waren dabei deutlich weniger präzise und sehr viel langsamer als die Erwachsenen“, sagt Stefanie Höhl (Uni Wien). Das liegt an der schleppenderen Informationsübertragung im Gehirn der Babys, wo z. B. die Myelinschicht der Nerven noch unvollständig ist.

Insgesamt orientieren sich die Kleinen stärker an sehr auffallenden Eigenschaften der Bilder wie Helligkeit oder markanten Kanten, Erwachsene nehmen komplexere Aspekte wahr. (APA/vers)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2022)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.