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"So eine Armee macht sich selbst fertig": Russischer Ex-Soldat rechnet mit Putins Krieg ab

Ein verlassenes russisches Fahrzeug in Cherson, auf dem ein Z prangt. Das Zeichen ist zum Symbol für die Unterstützung Russlands geworden.
Ein verlassenes russisches Fahrzeug in Cherson, auf dem ein Z prangt. Das Zeichen ist zum Symbol für die Unterstützung Russlands geworden.Getty Images
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Ein ehemaliger Soldat aus Russland beschreibt, was in den ersten Tagen des Angriffskriegs auf die Ukraine alles schieflief. Nun kommt die deutsche Übersetzung seines Buchs heraus - das ihn für Russland zum Staatsfeind macht.

Zwei Monate lang hat Pawel Filatjew als russischer Soldat den Krieg in der Ukraine unter ständiger Todesgefahr und unter militärischer Führungslosigkeit erlebt. Sein Entsetzen über die unter Kremlchef Wladimir Putin zur Chaostruppe verkommene russische Armee hat er schon im Sommer in dem packenden Frontbericht "ZOV. Der verbotene Bericht. Ein Fallschirmjäger packt aus" auf Russisch gratis im Internet geteilt [>> „Die Presse“ hat darüber geschrieben]. Schon damals hat er international für Furore gesorgt.

Nun erscheint das brisante Buch mit tiefen Einblicken in den Kriegsalltag und in die von Korruption und Günstlingswirtschaft geprägten Militärstrukturen auf Deutsch mit demselben Titel im Hamburger Hoffmann und Campe Verlag. "Zov" ist das russische Wort für Ruf. Aber das große Z ist auch das Kriegssymbol, das russische Panzer in der Ukraine tragen. Dem 34-Jährigen, der in Frankreich Asyl hat und seinen Aufenthaltsort geheim hält, droht in seiner Heimat lange Haft wegen Diffamierung der russischen Streitkräfte.

„Keiner wartet darauf, befreit zu werden"

Als Soldat war er selbst dabei, als die russische Armee am 24. Februar in die Ukraine einmarschierte. Blauäugig glaubte er demnach anfangs an einen Grund für die Invasion, bis er selbst merkte, dass niemand dort auf die vom Kreml angekündigte Befreiung wartete. Auch die Behauptung der russischen Führung, sie habe einem kurz bevorstehenden ukrainischen Angriff zuvorkommen wollen, sei nicht wahr, stellt Filatjew fest.

Der Ex-Soldat macht immer wieder deutlich, dass sich seine Kritik nicht gegen die einfachen und durch Mangel an Information in die Irre geführten Soldaten richtet, sondern vor allem gegen den Kreml, gegen den er heute sogar selbst die Waffe erheben würde. Er selbst könne aus seiner Zeit und dem Vorstoß in Richtung Cherson im Süden der Ukraine keine Gräueltaten der Armee bezeugen. Er entlarvt die von Putin immer wieder so bezeichnete militärische Spezialoperation gegen Nazis in der Ukraine als Farce. Getötet werden Zivilisten, die gegen die russischen Besatzer sind – und es werden ganze Städte sinnlos zerstört, wie Filatjew erzählt.

„So eine Armee braucht keinen Gegner"

Filatjew schildert authentisch, wie Soldaten durch fehlende Führung und Motivation scheitern. "Ich rauche und ärgere mich über die Führung, dass wir nun seit drei Tagen hier sind und oben offenbar niemand daran gedacht hat, dass wir etwas zu rauchen, zu essen und zu trinken brauchen." Kaputte Technik, ein Fahrzeug ohne Bremsen, durch Pannen verstümmelte Soldaten: "So eine Armee braucht keinen Gegner, wir machen uns selbst fertig." Die Armee sei "technisch hoffnungslos veraltet und moralisch verrottet".

"Eine Armee, die zielgerichtet ruiniert wurde, während wir alle geschwiegen und uns die Paraden am 9. Mai auf dem Roten Platz angeschaut haben", schreibt er mit Blick auf den Feiertag zum Sieg der Sowjetarmee über Hitler-Deutschland im Zweiten Weltkrieg. "Am 9. Mai danken wir unseren Vorfahren, die den Krieg beendet haben. Haben wir, ihre Nachkommen, jetzt wirklich einen Krieg begonnen?“ Ukrainer und Russen, die einmal in einem Land lebten und "unzählige Verwandtschaftsbeziehungen haben", seien nun durch Hass verfeindet.

Filatjew zeichnet eine düstere Zukunft für sein Land, das in "Lügen, Betrug und falschen Werten" versinke. Alles sei verkümmert - von der Verteidigung über das Gesundheitswesen bis hin zum Rechtssystem. Der Mensch als solcher zähle nichts. "Aus dem Siegervolk wurde ein Besatzervolk und ein Aggressor!“ Der Ex-Soldat hat schon im Sommer angekündigt, den Erlös aus den Buchverkäufen in Deutschland und anderen Ländern, in deren Sprachen das Werk übersetzt wurde, zu spenden.

>>> Ein russischer Soldat rechnet ab: "Zwei Monate Schmutz, Hunger, Kälte, Schweiß"

Der russische Soldat Pawel Filatjew schildert in einem Augenzeugenbericht die ersten Wochen des Ukraine-Feldzugs: Sie sind geprägt von Chaos und Versorgungsproblemen. Ein wortgewaltiger Aufruf zur Beendigung des Krieges.

(APA/dpa/Ulf Mauder)

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