Replik

Demokratie braucht Klima-Aktivismus

Wir haben jeden Millimeter Klimaschutz den Klima-Aktivistinnen und -Aktivisten zu verdanken.

Der Autor

Joel Tölgyes (* 1994) ist Klima-Ökonom am arbeitnehmernahen Momentum-Institut in Wien.

Ich persönlich bevorzuge einen liberalen Diktator gegenüber einer demokratischen Regierung, der es an Liberalismus mangelt.“ Friedrich Hayek hat das gesagt, bekennender Fan des chilenischen Diktators Pinochet, bis heute Säulenheiliger marktradikaler Ökonom:innen. Sehnen sich alle Marktradikalen nach einer Diktatur vom Zuschnitt Pinochets? Franz Schellhorn, Chef einer marktliberalen Denkfabrik, würde die Frage lautstark verneinen und sich gegen den Untergriff wehren. Er selbst hatte keine Skrupel, anderen genau das zu unterstellen. Die Demokratie abschaffen wollen sie, die Klimaretter, warnt er allen Ernstes in einem Kommentar an dieser Stelle vergangenen Samstag.

Zum Beweis zitiert er einen Ökonomen als Kronzeugen einer demokratiefeindlichen Klimabewegung, die es in Wahrheit weder gibt noch braucht. Vielmehr ist die Klima-Bewegung ein zivilgesellschaftliches Bündnis, eng vernetzt mit unzähligen Klimawissenschaftlern. Ihrem Einsatz ist es zu verdanken, dass es Klimaschutz in die Schlagzeilen und ins öffentliche Bewusstsein geschafft hat. Ihre Arbeit sorgt dafür, dass es für konsequente Klimapolitik breite gesellschaftliche Mehrheiten gibt, wie Studien belegen. Besonders hoch ist die Zustimmung, wenn Klimapolitik auch sozial gerecht gestaltet ist, etwa wenn jene mit weniger Einkommen zielgerichtet unterstützt werden. Bürgerinnen-Räte weltweit zeigen, dass, wer eigenverantwortlich Politik gestalten kann, weit konsequentere Klimaschutz-Maßnahmen vorschlägt, als sich in einem durchschnittlichen Regierungsprogramm finden lassen.

Wer die Feinde der Demokratie finden möchte, sollte ins Lobbyregister schauen. Es waren mehr Lobbyisten für fossile Brennstoffe auf der Klimakonferenz in Ägypten anwesend als alle Delegierten der zehn am stärksten von der Klimakrise betroffenen Länder zusammen. Das Ziel der Lobbys ist, den Ausbau der Ölindustrie zu ermöglichen. 500 der 900 größten Öl- und Gaskonzerne wollen bis 2030 über 230 Milliarden Barrel Öl erschließen. Umgerechnet ist das die Menge an Treibhausgasen, die die gesamte EU ausstößt – in 30 Jahren. Klimaaktivisten haben diese Gefahr erkannt und tragen sie europaweit mit spektakulären Aktionen in die Öffentlichkeit. Politik und Journalismus fordern, sie wegzusperren, Menschen wie Schellhorn beschwören das Ende der Demokratie.

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