Familien

Eppensteiner, Mozart, Quandt, Wittgenstein

Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, beweist das neue Buch von Gerhard Jelinek.

Der Journalist Gerhard Jelinek, einst „Presse“-Innenpolitiker, zählt zu den emsigsten Buchautoren. Bei Amalthea hat er mit Bestsellern die würdige Nachfolge Dietmar Griesers angetreten. Im Aufspüren immer neuer Themen ist er originell. Diesmal sind es Familien – berühmte, dann wieder welche, deren Unbekanntheit zum Nachlesen verführt. Oder sind Ihnen die Eppensteiners ein Begriff? Dem Korrekturprogramm des Computers jedenfalls nicht.

Also: Es handelt sich um Kärntner Herzöge, denen wir ab 1122 unsere rot-weiß-roten Farben verdanken. Nicht dem Babenberger Leopold vor Akkon 1191. Eine fromme Legende, sagt Jelinek. Die Eppensteiners (in der Gegend von Obdach auf einer unspektakulären Burg) hätten nicht nur viele Lehensgüter den Babenbergern übertragen, sondern auch ihren rot-weiß-roten Bindenschild. 1122 erlosch die Familie.

Der Mozart-Clan darf in einem solchen Buch ebenso wenig fehlen wie die Fugger, die Trapp-Familie oder die Quandts. Von dort sind die Porsches ja nicht weit. Als einzige nicht europäische Family finden die Kennedys in diesem Buch Aufnahme. Es dürfte, so vermuten wir, nicht das letzte gewesen sein . . .

Berühmt und immens reich waren die Wittgensteins, aber zwei Söhne des Familienoberhaupts Karl endeten tragisch. Im Jahre 1904 teilt er der „Neuen Freien Presse“ lapidar mit, dass sein 24-jähriger Sohn Hans (der vor dem Patriarchen ins Ausland geflüchtet war) zuletzt in Havanna gesehen worden und auf hoher See wohl ertrunken sei. Am 4. Mai desselben Jahres dann vergiftet sich Sohn Rudolf in einer voll besetzten Berliner Kneipe. Er spendiert dem Klavierspieler noch einen Kognak, schluckt ein weißes Pulver, ist sofort tot. Liebeskummer wegen eines Mannes: Der Homosexuelle wird nicht in der Familiengruft auf dem Zentralfriedhof bestattet. Keine Wiener Zeitung wagt einen Bericht. Immerhin sind die Wittgensteins zu dieser Zeit eine der reichsten Industriellenfamilien des Landes. Doch der autoritäre Vater verlangt von den acht Kindern zu viel. Das Fehlen jeglicher Zuwendung, Zärtlichkeit, Wärme kann das noch so luxuriöse Leben keineswegs aufwiegen. Karl Wittgenstein ist das Zerrbild eines rastlos tätigen Stahlbarons. Mit der Teplitzer Schienenfabrik in Böhmen kann er ein Quasi-Monopol errichten – Karl Kraus hasst ihn ebenso wie die erwachende Sozialdemokratie. Mit 52 Jahren zieht er sich zurück, er hat genug. Und er sucht das Weite: Ägypten, Indien, Hongkong. Doch im 66. Lebensjahr rafft den exzessiven Raucher der Krebs dahin.

Zwei seiner Söhne sollten noch berühmter werden: Ludwig zuerst. Dem Papa zuliebe absolviert er ein Ingenieurstudium, doch die Vertiefung in die Mathematik zieht ihn immer mehr zur Philosophie. Dass sein „Tractatus logico-philosophicus“ einigermaßen verwirrend erscheint, ist dem jungen Genie schon im Vorwort bewusst. Erst 1922 lässt es der Philosoph Bertrand Russel drucken.

Jelinek beschreibt die Wendungen im Leben des Bruders Paul, dessen Kriegsverletzung, die Amputation des rechten Arms, seine nachfolgende Karriere als einarmiger Pianist in berührender Weise. Und auch den Kampf der Geschwister in der Nazi-Zeit, um als „Mischlinge“ durchzugehen. Zwei Millionen Schweizer Franken sind für beide Teile ein wohlfeiles Geschäft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2022)

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