Worte der Woche

Klimafreundliches Leben

Bemühungen zum Klimaschutz im eigenen Handeln stoßen rasch an ihre Grenzen. Experten fordern daher strukturelle Reformen, die ein klimafreundliches Leben ermöglichen.

Auch wenn sich das so manche Zeitgenossen wohl wünschen würden: Es ist unmöglich, ein Leben völlig ohne Treibhausgas-Ausstoß zu führen. Man muss essen, wohnen, heizen, sich kleiden – und all das verursacht unvermeidlich CO2. Man kann freilich versuchen, die persönlichen Emissionen möglichst gering zu halten. Dabei stößt man aber rasch an Grenzen: „Klassisches ,umweltfreundliches Verhalten‘, wie beispielsweise Mülltrennung, weniger Papier oder optimierte Nutzung von Haushaltsendgeräten, zeigen eher geringe Vermeidungspotenziale“, heißt es in dem Anfang dieser Woche vom Austrian Panel on Climate Change (APCC) veröffentlichten Sachstandsbericht „Strukturen für ein klimafreundliches Leben“ (Download: https://ccca.ac.at). Viel größeres Potenzial haben da z. B. ein Verzicht auf das Auto, das Vermeiden von Flügen, die Sanierung von Gebäuden, eine fleischlose Ernährung, das Selbstproduzieren von Ökostrom oder – Hunde- und Katzenhalter müssen jetzt stark sein – der Verzicht auf Haustiere.

Anhand der Zahlen in dem mehr als 700 Seiten umfassenden Bericht sieht man deutlich, dass individuelles Handeln nur begrenzt klimawirksam ist. Dem stehen nämlich strukturelle Hindernisse entgegen – als „Strukturen“ werden dabei jene Rahmenbedingungen und Verhältnisse verstanden, in denen das tägliche Leben stattfindet. Wie etwa Raumplanung, Landnutzung, Bauordnung, Verkehrs-, Energie- oder Steuersysteme.

„Derzeit ist es schwierig, in Österreich klimafreundlich zu leben“, so der Befund der Klimaforschenden. „Die Bewertung des Forschungsstands zeigt in ihrer Gesamtheit: Wenn klimafreundliches Leben dauerhaft möglich und rasch selbstverständlich sein soll, erfordert dies eine grundlegende und weitreichende Transformation, die den Rückbau klimaschädigender und den Aufbau klimafreundlicher Strukturen umfasst“, heißt es.

Dass die Umsetzung der im Bericht skizzierten Transformationspfade alles andere als einfach ist, zeigt nicht zuletzt die jüngste Vergangenheit: Das bisherige „klimapolitische Versagen Österreichs“ führen die Studienautoren zurück auf starke Beharrungskräfte, Pfadabhängigkeiten und Lock-in-Effekte, aber auch auf die föderale Struktur, die Sozialpartnerschaft (insbesondere die Wirtschaftsvertreter) und eine lange Zeit passive Zivilgesellschaft.

Ob sich diese Verhinderungsstruktur rasch ändern lässt?


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com

www.diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.12.2022)

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