„Goethe in Hollywood“. Thomas Mann mit Ehefrau Katia in ihrer Villa in Pacific Palisades.
Geschichte

Weimar on the Beach: Das Exil der Literatur

Heute wohnen hier Tom Cruise, Tom Hanks und Steven Spielberg. Vor 80 Jahren war Pacific Palisades in Los Angeles das Zentrum der aus Europa geflohenen Künstler und Intellektuellen. Sie konnten hier frei leben und frei arbeiten.

Ein wahres Schloss am Meer“, staunte Thomas Mann, und Hermann Kesten meinte ironisch: „So sollten Schriftsteller wohnen . . . mit zwanzig Zimmern, mit elftausend Büchern, einem hügeligen Park mit zwei Acres, einer Sekretärin und einer Frau, die kocht, gärtnert, bäckt, chauffiert und dem großen Dichter aufs Ergebenste dient, was für ein Leben.“ Die Rede war von der Villa Aurora, einem der wichtigsten Treffpunkte europäischer Emigranten, die vor dem Nazi-Regime nach Kalifornien geflohen waren. Besonders für verfolgte Deutsche jüdischer Abstammung wurde die Westküste der USA und hier vor allem Los Angeles ein Flucht- und Sehnsuchtsort, um weiter frei arbeiten und leben zu können. Es entstanden Brennpunkte des Dialogs, ein intellektueller Salonbetrieb. Naheliegend war, vom „Weimar unter Palmen“ zu sprechen: Angesehene Künstler der Weimarer Republik fanden auf ähnlich kleinem Raum zusammen wie einst in der Goethezeit die Geistesgrößen im thüringischen Städtchen Weimar.

Villa am Hügel. Durch seine in viele Sprachen übersetzten Bestseller „Jud Süß“, „Die Geschwister Oppermann“, „Erfolg“ usw. war der deutsch-jüdische Schriftsteller Lion Feuchtwanger reich geworden. Nach seiner Flucht über Frankreich erwarb er 1943 im kalifornischen Pacific Palisades für 9000 Dollar ein mediterran wirkendes Grundstück mit Villa in den Hügeln nordwestlich von Los Angeles oberhalb des Sunset Boulevard. Wie ein kleines spanisches Schloss wirkte das Gebäude mit seinen Balkönchen, atemberaubend war der Blick auf den Pazifik. Doch das 1700 m2große Grundstück und die Villa mit ihren 14 Zimmern waren verwahrlost, von Mäusen, Spinnen und Eidechsen heimgesucht, die Fenster zerbrochen. Feuchtwanger und seine Frau, Marta, verbrachten die ersten Nächte im Garten in ihren Schlafsäcken. Ein Nachbar, der Feuchtwangers Bücher liebte, schickte einen Handwerker vorbei.

Wenig später empfingen sie ihre ersten Gäste – zu Musik- und Leseabenden. Es kam die Crème de la Crème der europäischen Exilanten und ihre Freunde, Thomas und Heinrich Mann, Bertolt Brecht, Alfred Döblin, Franz Werfel mit Gattin Alma Mahler-Werfel, Arnold Schönberg und Kurt Weill, Ludwig Marcuse und Max Horkheimer, Charles Laughton, Peter Lorre, Ingrid Bergman und Charles Chaplin. Nicht dass sie sich alle mochten, Thomas Mann und Bertolt Brecht waren einander in inniger Feindschaft zugetan. Feuchtwanger las oft aus einem seiner Bücher vor. Thomas Mann hatte dann das erste Wort und begann mit „Well done, Lion“ (obwohl er diese Art von Literatur verabscheute). Und dann war sozusagen die Diskussion eröffnet.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.