Burkhard Spinnen: Kram und Würde

Meister der "kleinen Form": Burkhard Spinnens Glossen.

Doppelklinge. Das hieß Fortschritt, Befreiung aus der Eindimensionalität und somit Aufstand gegen die Väter. Seit wir 78er, also die Generation zwischen den 68ern und den 89ern, begonnen haben, unser Erwachsensein durch exzessives Rasieren zu befördern, tun wir das mit Doppelklinge. Und dann: die Trippelklinge. "Wenn es jetzt heißt: die ältere Generation, dann bin ich gemeint", räsonierte Burkhard Spinnen bereits 1999.

Das war acht Jahre nach Erscheinen seines ersten Buches, "Dicker Mann im Meer", wofür er den "aspekte"-Preis erhielt. Seither ist er zu einem der profiliertesten Publizisten deutscher Zunge geworden. Denn Spinnen kann über alles schreiben: Einerlei, ob er über Fußball, Sprache, Alltagsgegenstände wie ebenjene Doppelklinge, Ästhetik oder Politik schreibt, niemals wird er banal oder geschwätzig. Stets wird die Literatur bei ihm zum intellektuellen Abenteuer. Denn bei Burkhard Spinnen ist die Literatur kein langer ruhiger Fluss, sondern wer sich auf sie einlässt, läuft immer Gefahr, in den Gatsch zu treten, auf Eis auszurutschen oder öde Strecken zu durchlaufen. Anders sind sie nämlich nicht zu haben, die Ein-, Durch- und Ausblicke, welche die Literatur bietet.

Um die Leser auf seine Reise in unerforschte Gegenden mitzunehmen, hat Burkhard Spinnen einen Trick: Die unwegsamen Pfade, auf die er uns lockt, beginnen alle wie Autobahnen. Man begibt sich auf den Mainstream und ehe man sich's versieht, landet man im Unterholz. Und wie er da wieder herausfindet, das macht die große Kunst des Meisters der "kleinen Form" aus. Dabei hilft dem Mönchengladbacher (auch in ballestrischer Hinsicht) die österreichische Schule (zum Glück nur die literarische). Seine an Peter Altenberg (über den er dissertierte) und Alfred Polgar geschulte Ironie hat sich auch in Klagenfurt beim Bachmann-Preis bewährt, wo er seit vielen Jahren die Jury bereichert.

Rechtzeitig zum runden Geburtstag schenkt dem literarischen Dribblekünstler sein Stammverlag nun einen Band mit seinen gesammelten Feuilletons aus elf Jahren. Für den Jubilar wohl so etwas wie für die deutsche Nationalelf der Film "Deutschland. Ein Sommermärchen". Burkhard Spinnen, das ist in der Literatur, was im Fußball die Weltmeisterschaft in Deutschland: Party in Permanenz. Indes, nun ist endgültig Schluss mit Doppelklinge. Am 28. Dezember wird Spinnen 50. Ab da: Elderliteratureman. Happy birthday, Herr Spinnen! [*]

Burkhard Spinnen
Kram und Würde
Feuilletons. 288 S., geb.,  20,50 (Schöffling Verlag, Frankfurt/Main)

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