Terror gegen Kopten: Trauer, Angst und Wut in Ägypten

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Das Blutbad der Silvesternacht in Alexandria hat weltweit Entsetzen hervorgerufen. Die Behörden vermuten "ausländische Elemente" hinter der Tat, sind aber auch selbst unter massive Kritik geraten.

Alexandria/Kairo/Red./Gaw. Ein Bombenanschlag in der Silvesternacht auf Christen in Ägypten hat international Bestürzung hervorgerufen. Papst Benedikt XVI. verurteilte die Tat vor einer Kirche in Alexandria, bei der mindestens 21 Menschen ums Leben gekommen waren und nahezu 100 Personen verletzt wurden. Diese Tat verletze Gott und die gesamte Menschheit, sagte das Kirchenoberhaupt am Sonntag nach dem Angelus-Gebet.

US-Präsident Barack Obama zeigte sich ebenfalls bestürzt und bot Hilfe an. „Die Täter hatten es ganz eindeutig auf christliche Besucher des Gottesdienstes abgesehen“, sagte Obama.

Die ägyptischen Behörden äußerten die Vermutung, dass „ausländische Elemente“ hinter der Tat stünden. Das Innenministerium in Kairo bezichtigte einen Selbstmordattentäter mit Verbindungen ins Ausland. Sieben Personen befanden sich Sicherheitskräften zufolge am Sonntag für Befragungen in Haft, während zehn Menschen von der Polizei bereits wieder entlassen worden waren. Im November hatte das Terrornetzwerk al-Qaida mit Anschlägen auf koptische Kirchen in Ägypten gedroht und Muslime zu Gewalttaten angehalten.

Ein Land im Schockzustand

Direkt nach dem Anschlag kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen. Hunderte Christen demonstrierten gegen die Behörden und kritisierten, dass es diesen nicht gelungen sei, sie vor dem Terrorismus zu schützen.

Präsident Hosni Mubarak erklärte, Ziel des Anschlags seien Christen und Muslime gewesen. Es werde den Terroristen aber nicht gelingen, das Land zu destabilisieren. Das Land am Nil befindet sich im Schockzustand. Im Kairoer Viertel Schubra, in dem viele christliche Kopten leben, demonstrierten am Wochenende gut tausend Menschen. Die junge Muslimin Sanaa nahm das erste Mal in ihrem Leben an einer Demonstration teil: „Das war einfach zu viel, als ich die Bilder aus Alexandria gesehen habe. Ich bin gekommen, um meinen christlichen Mitbürgern mein Beileid auszudrücken“, sagt die Publizistikstudentin.

Im Hintergrund rufen die Demonstranten ihren Slogan: „Wer sind wir? Wir sind Kopten und Muslime. Wir haben Kirchen und Moscheen und Jesus und Muhammad, na und?“ Aber es herrscht nicht nur Trauer auf dem Demonstrationszug. Vor allem die Christen sind wütend. Eine ältere Frau reißt an ihren Kleidern und schreit: „Ich habe meinen Sohn verloren, der von der Polizei erschossen wurde, und mein anderer ist in Haft!“ Das war letzten Monat geschehen, als es im Kairoer Viertel Omranyia um den Bau einer Kirche zu Straßenschlachten zwischen der Polizei und koptischen Jugendlichen kam. Die Lizenz für den Bau einer Kirche ist aufwendig und schwer zu erhalten, während praktisch an jeder Ecke der Stadt neue Moscheen entstehen.

Schutz der Christen vergessen

Auch Abdel Halim Qandil ist gekommen. Er ist einer der Gründer von „Kifaya“, der „Es reicht“-Bewegung, in Anspielung auf die fast drei Jahrzehnte Mubarak-Herrschaft. „Die Sicherheitskräfte sind mit dem Schutz des Regimes und dem Fälschen der Wahlen beschäftigt, sie haben dabei den Schutz der Bürger und vor allem der christlichen Mitbürger vergessen“, sagt er.

Die Regierung, erklärt er, habe sich immer damit legitimiert, der Garant für die Stabilität Ägyptens zu sein. Das Gegenteil sei der Fall. Das Regime unternehme nichts gegen die Spaltung des Landes in Religionsgemeinschaften, nichts gegen die Auflösung der Gesellschaft und gegen das Chaos.

Hinter ihm zieht eine Gruppe von Männern mit einem großen Transparent vorbei. „Die Muslimbrüder Kairo Nord verurteilen das Massaker von Alexandria“, heißt es dort. Ein Mann fragt: „Wo sind unsere Rechte als Christen?“ Es gäbe kaum Christen im Parlament, keine christlichen Offiziere in der Armee oder an den wichtigen Stellen des Beamtenapparates. Wir leben hier begraben“, sagt er.

Als der Demonstrationszug versucht, sich durch die Hauptstraße von Schubra in Bewegung zu setzen, schreitet die Bereitschaftspolizei ein. Wie jede Demonstration ist dem Regime auch diese Zusammenkunft suspekt. Die hier Versammelten wollten ein Zeichen gegen al-Qaida und für die Einheit des Landes setzen. Am Ende rennen sie alle vor der ägyptischen Polizei davon – Christen und Muslime gemeinsam.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 3. Jänner 2011)

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