Randerscheinung

Aus dem Haus und kaum erreichbar

Carolina Frank
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Auch mit VierStricherlEmpfang sind die großen Buben für mich nicht ohne Weiteres zu erreichen.

Will man mit den Kindern, obwohl sie bereits ausgezogen sind, in Kontakt bleiben (und dafür kein opulentes Mahl zubereiten), böte sich dafür – neben kurzen Nachrichten bilateral oder in der Familiengruppe – grundsätzlich die gute alte Sprachtelefonie an. Auch wenn diese Funktion bei den vielen Möglichkeiten, die ein Smartphone so bietet, zusehends in Vergessenheit gerät. Den Konjunktiv verwende ich deshalb, weil a) die Mobiltelefonie auch in Ballungsräumen gar nicht so gut funktioniert, wie man das im 5G-Zeitalter vermuten dürfte. Und b) sind die großen Buben für mich auch mit VierStricherlEmpfang nicht ohne Weiteres zu erreichen. Der Älteste nämlich dreht sein Handy recht konsequent ab, wenn er seinem Tag bzw. Nachtwerk nachgeht (d. h. man landet schon nach einmal Läuten auf der Mailbox, die nur einmal piepst, also nicht einmal kurz die Sehnsucht nach seiner Stimme stillt).

Hebt er aber ab, ist er (ich schließe das aus der jeweiligen Lärmkulisse) immer gerade in der U-Bahn, an der Supermarktkasse, in einem hallenden Stiegenhaus, im öffentlichen Raum, oder er kocht oder räumt Geschirr weg. Dann telefoniert er zwar geduldig und ausdauernd, ich verstehe trotzdem recht wenig, außer dem Wichtigsten: Es geht ihm offenbar gut. Der Mittlere ist für mich telefonisch grundsätzlich nicht erreichbar. Meldet er sich dann von selbst (was vorkommt), sind meine zahlreichen Anrufe in Abwesenheit kein Thema. Er bietet allerdings immerhin freundliche Gespräche mit neutralem Geräuschhintergrund an.

Will ich mit dem Jüngsten Kontakt aufnehmen, kann ich entweder mehrmals durch Zimmertüren und Noisecancelling durchbrüllen oder ich rufe ihn gleich vom Erdgeschoß im ersten Stock an. Dekadent, ich weiß, aber es klappt eher.

("Die Presse Schaufenster" vom 02.12.22)

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