Morgenglosse

Wenn der Wissenschaftsminister die Wissenschaftler ignoriert

Minister Martin Polaschek sieht über Verbesserungen bei den Deutschförderklassen hinweg.
Minister Martin Polaschek sieht über Verbesserungen bei den Deutschförderklassen hinweg.APA/ROLAND SCHLAGER
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Die umstrittenen Deutschförderklassen wurden evaluiert. Es gibt viele Verbesserungsvorschläge. Doch davon will Martin Polaschek offenbar nur wenig hören.

Es sollte mehr als eine übliche Evaluierung sein - also nicht nur ein Bericht, der kurz nach dem Erscheinen in einer Schublade verschwindet. Die wissenschaftliche Überprüfung der Deutschförderklassen sollte auch Konsequenzen haben. Das haben ÖVP und Grüne in ihrem Koalitionspakt festgehalten. Das umstrittene türkis-blaue Prestigeprojekt blieb damit auch unter Türkis-Grün bestehen. Vorausgesetzt einer ernsthaften und ernst genommenen Evaluierung.

Doch genau nach einer solchen sieht es nun nicht aus. Schon seit Oktober liegt der wissenschaftliche Bericht im Bildungsministerium. Doch die Lust, das für das türkis-blaue Deutschfördermodell durchwachsen ausfallende Zeugnis zu präsentieren, schien bei ÖVP-Bildungsminister Martin Polaschek überschaubar zu sein. Schlussendlich haben es ausgewählte Ergebnisse am Montag „irgendwie“ in die „Kronen Zeitung“ geschafft. Mehr Fakten hat das Ministerium auch danach nicht geliefert. Stattdessen aber öffentlich Zweifel an der Studie gesät.

Der Evaluationsbericht würde die aktuelle Situation nicht berücksichtigen. Immerhin sei die Studie bereits 2020 in Auftrag gegeben worden - vor der Corona-Pandemie und der neuerlichen großen Fluchtbewegung. Seither hätten sich „die Herausforderungen im Bereich Integration und Deutschförderung grundlegend verändert“. Die Studie, so der unterschwellige Tenor, sei eigentlich gar nicht mehr brauchbar. (Die Autoren widersprechen freilich vehement. Die Daten seien alles andere als veraltet. Sie wurden erst in der ersten Hälfte 2022 erhoben.) Überhaupt könne auch der Hauptkritikpunkt der Studie bereits entkräftet werden. Denn eine geforderte längere Deutschförderung gebe es bereits seit Beginn dieses Schuljahres. Neu dazu werden nun vier zusätzliche Deutschförderstunden kommen. Kurzum: Hier gibt es (abgesehen von einem Ausbau der Stunden) nicht viel zu sehen. Änderungsbedarf bei den Deutschförderklassen gibt es jedenfalls keinen.

Diese Vorgehensweise ist gleich in dreierlei Hinsicht höchst heikel: Erstens werden damit wissenschaftliche Erkenntnisse vom Wissenschaftsminister ignoriert - just von jenem Politiker, der sich den Kampf gegen die grassierende Wissenschaftsskepsis im Land prominent auf die Fahnen heftet. Zweitens werden damit die Stimmen der Direktoren und Lehrer überhört - just von jenen Menschen, die wissen, inwieweit sich das Modell in der Praxis bewährt. Und drittens wird damit der Koalitionspartner verärgert - just bei einem für die Grünen essentiellen Thema.

Wenn der Evaluierungsbericht nun tatsächlich in der Schublade verschwindet, dann werden die Probleme für Minister Martin Polaschek erst recht auftauchen.

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