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Warum die Schweiz doch kein Asyl-Vorbild ist

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Die Schweiz winkt Migranten weiter. Österreich kann das nicht.

Machen wir es doch wie die Schweiz. Das empfahl der Migrationsforscher Gerald Knaus im Interview mit der „Presse“. Konkret sagte er: „In der Schweiz wird niemand, der weiterreisen will, zu einem Asylantrag gedrängt. Das ist legal und wäre auch in Österreich besser.“ Und er riet: „Österreich sollte kontrollieren und durchwinken . . . Am besten schickt Österreich eine Delegation in die Schweiz und kopiert deren Praxis.“

Aber geht das überhaupt? Tatsächlich handhabt es die Schweiz so, wie Knaus es schildert. Man schickt Migranten weiter an die Grenze zu Deutschland und Frankreich. Das Schweizer TV-Magazin „Rundschau“ zeigte, dass die Schweizerischen Bundesbahnen Geflüchteten, die aus Österreich im Kanton St. Gallen eintreffen, sogar eigene Waggons für die Weiterreise nach Basel bereitstellen.

„Nicht zulässig“

Die Deutschen kritisieren das freilich heftig, doch die Schweiz sieht sich im Recht: Es geben keine Rechtsgrundlage, die Menschen festzuhalten. Und: „Für Personen, die nicht mehr anwesend sind, kann kein Dublin-Verfahren durchgeführt werden“, zitiert die „NZZ“ den Sprecher des Schweizer Staatssekretariats für Migration. Dahinter steht die Ansicht, dass Dublin erst „gilt“, wenn auch ein Asylgesuch gestellt wird. Und vorher eben nicht.

Diese Rechtsmeinung ist allerdings in der Schweiz selbst umstritten. Und auch der Europarechtsexperte Walter Obwexer von der Universität Innsbruck teilt sie nicht. „Dem Wortlaut nach stimmt es zwar, dass Dublin nur für jene Personen gilt, die auch um Schutz ansuchen.“ Doch so eine Auslegung, wie sie die Schweiz praktiziere, würde „dem Sinn und Zweck des Dublin-Abkommens widersprechen, wonach jene, die noch nirgendwo als Asylwerber registriert wurden, registriert werden müssen.“

Würden alle wie die Schweiz handeln, so Obwexer, „würde das bedeuten, dass Dublin komplett ausgehebelt wird und Menschen, die sich ohne Titel, also illegal, im Land aufhalten, einfach weiterreisen dürfen.“

Und tatsächlich geht es der Schweiz offenbar genau um das. Allerdings hat die Schweiz einen Sonderstatus. Denn es geht bei der Frage der Weiterreise nicht nur um die Interpretation des Dublin-Abkommens, sondern auch um die EU-Rückführungsrichtlinie, wie Obwexer erklärt. „Dieser unterliegt die Schweiz nicht, Österreich aber schon.“ Das heißt: „In Österreich sind illegale Drittstaatsangehörige zurückführen.“

Und auch im österreichischen Gesetz ist das so geregelt: Reisen Fremde unrechtmäßig ins Bundesgebiet ein, begehen sie eine Verwaltungsübertretung (§ 120 Fremdenpolizeigesetz). Wer illegal komme und keinen Asylantrag stelle, könne, so ein Sprecher des Innenministeriums, entweder bereits an der Grenze zurückgewiesen, also an der Einreise gehindert werden. Oder „im Rahmen bilateraler Rückübernahmeabkommen“ zurückgeschoben werden.

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