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Überraschungseffekt Wetter

Clemens Fabry
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Wetter-Apps auf dem Mobilgerät? Nein, danke! Meine private Genese zum Feind des Wetterberichts.

Ich verabscheue Wetterberichte. Sogar auf Reisen erkundige ich mich nur sporadisch bei der Instanz Internet, wie das Wetter wohl werde. Ich glaub’ nicht daran. Als Kind wurde ich von Wetterberichten der 70er-Jahre in der Stadt Salzburg sozialisiert, die nie stimmten, präsentiert auf dem Sender Ö1 von Meteorologen, die etwas hölzern und mit diversen logopädischen Problematiken ihre regnerischen Prognosen vortrugen. Für meine Eltern war der Wetterbericht ­sakrosankt, ich durfte nicht dazwischenquatschen. Vielleicht behielt ich deshalb bis ins Erwachsenenalter eine Ab­­neigung gegen diese Form der Zukunfts­forschung. Das Wetter wird eh so sein, wie es sein wird, wozu also spekulieren?


Obwohl, jener so unradiohafte Vortrag der Meteorologen gefiel mir schon. ­Leider empfand der Sender ihn als Schwachstelle und versteckte diese Männer irgendwann hinter einer smoothen Wetterredaktion. Ich bekam mit, dass die alten Meteorologen ihre Degra­dierung als schlimme Kränkung wahrnahmen – ich denke, die Mehrheit von ihnen wurde suizidal oder ging vorzeitig zugrunde. Die Erkenntnisse wurden fortan von Menschen mit ORF-spezifischen Sprachmanierismen und Sprachfehlern vorgetragen.

Heutzutage nimmt der Wetterbericht, den via App jeder jederzeit nachvollziehen kann, eine merkwürdige Stellung in der Gesellschaft ein. Freunde informieren mich über die Prozentwahrscheinlichkeit, mit der es in zwei Stunden, morgen oder in einer Woche regnen werde. Das App-Wissen führt regelmäßig zu völlig unnötigen Absagen von Treffen, Wanderungen oder Veranstaltungen. Es stimmt zwar, dass sich die Qualität der Wettervorschau deutlich verbessert hat, doch trotzdem liegt sie längst nicht immer richtig.


In Spezialsituationen mag der Wetter­bericht durchaus seine Berechtigung haben – man denke an das Bergwetter – doch ich sehe bis heute nicht ein, wieso ich mich vor einer Reise nach London oder Rom auf windige Prognosen von Computermodellen verlassen soll. Scheinbar totale Kontrolle entzieht ­einer Reise doch auch ein Stück ihres ­Reizes. Lebt nicht jeder gute Trip von einer Prise Unsicherheit? 

("Die Presse Schaufenster" vom 02.11..2022)

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