In ihren Ursprüngen war die islamische Sittenpolizei noch kein oppressives Organ der Religionskontrolle, sagt der Autor Mustafa Akyol im „Presse"-Interview. In der modernen Zeit sei die Moralpolizei noch autoritärer als in ihrer „klassischen Zeit".
Die Presse: Die Islamische Republik hat angekündigt, die Sittenpolizei abschaffen zu wollen. Wie ernst ist das zu nehmen?
Mustafa Akyol: Auch wenn die Gasht-e Ershad (iranische Sittenpolizei, Anm.) abgeschafft werden sollte, werden die Gesetze exekutiert, es ist also nicht von einer Veränderung auszugehen. Es ist eher Make-up. Eine richtige Reform wäre die Abschaffung der Kopftuchpflicht.
Sie haben sich mit der Entstehungsgeschichte der Moralpolizei beschäftigt, doch ist sie heute nicht hauptsächlich ein Organ, das über die Frauen die Gesellschaft kontrolliert?
Nicht nur, auch schwule Männer werden verfolgt. Aber ja, die Kontrolle der Frauen geht zurück auf die mittelalterliche Annahme, dass Frauen Männer verführen und die Gesellschaft korrumpieren würden. Das steht nicht im Koran, aber es war die mittelalterliche Interpretation männlicher Gelehrter. Umgekehrt hat die Obsession über die Kleidungsvorschriften dazu geführt, dass das Kopftuchtragen verboten worden, etwa im Iran des Schah. Frauen müssen die Wahlfreiheit haben.