Testbericht

Remarkable 2: Kampf dem Zettelchaos mit dem digitalen Notizbuch

Papierlose Büros sind im Trend. Auf einem Tablet zu schreiben ist meist aber nur die halbe Freude. Das Remarkable 2 bietet, was bislang nur Papier konnte. Ein teures Vergnügen.

To-do-Listen, Notizen, und wo war noch mal der Terminplaner oder gar die Mitschrift zur letzten Vorlesung? Zettelwirtschaft, ein Euphemismus für das ständige Chaos, das sich in der Handtasche breitmacht. Doch wer kennt es nicht: Was einmal handschriftlich zu Papier gebracht worden ist, bleibt auch - zumindest teilweise - im Kopf hängen.

Seit Jahren versuchen sich Hersteller wie Apple und Samsung darin, ihre Tablets zum digitalen Notizbuch zu machen. Man kann auf ihnen zeichnen und schreiben. Letzteres wird sogar in Text umgewandelt. Doch am Ende des Tages bleibt es Schreiben auf Glas. Das hat kaum mit der Haptik zu tun, die viele an Papier und Schrift schätzen.
Doch es gibt tatsächlich digitale Notizbücher, die ihren Namen verdienen. Eines davon ist Remarkable, das nun in seiner zweiten Version den Markt erobern will. Auf Instagram, Facebook und Twitter gibt es kein Vorbeikommen, die Werbung taucht überall auf. „Die Presse“ hat sich das erste Modell im Vergleich zur aktuellen Version angesehen.

Nicht nur eine gute Kampagne

Das erste Remarkable erschien übrigens bereits im Jahr 2017. Schon damals versprach das gleichnamige norwegische Unternehmen ein unvergleichliches Schreibgefühl - und hielt jenes Versprechen. Andere Tablets, etwa Apples iPad, konnten das Gefühl, auf Papier zu schreiben, nicht ansatzweise so gut nachahmen. Das Gehäuse des Remarkable 1 misst 256 x 177 x 6,4 mm, das Gewicht liegt bei 356 Gramm. Damit liegt das Gerät auch über einen längeren Zeitraum bequem in der Hand. Zwar ist das Remarkable 2 noch leichter und dünner, der Akku noch langlebiger und der dazugehörige Stift noch hochwertiger, die Verarbeitung und das wichtigste Kaufargument, das Schreibgefühl, sind jedoch auch beim Vorgänger mehr als zufriedenstellend.

Auch bezüglich Software und Funktionen sind die Unterschiede überschaubar. Textpassagen ausradieren, kopieren und verschieben, PDF-Dateien importieren und bearbeiten und E-Books lesen: All das ist auch mit dem Remarkable 1 möglich. Dabei reagiert das E-Ink-Display erstaunlich schnell. Ja, die Reaktionszeit ist beim iPad klar niedriger, wirklich störend ist diese allerdings nicht.

(c) Etsy

Insgesamt ist das Remarkable 1 also erwartungsgemäß eine leicht veraltete Version des neuen Modells, es gibt jedoch auch einen Vorteil: Zwar haftet der hauseigene Stift nicht magnetisch am Tablet, er wird aber immerhin beim Kauf mitgeliefert und muss nicht extra bezahlt werden. Außerdem bieten die extra bestellbaren Taschen – die billigste ist um 79 Euro erhältlich – immerhin eine Halterung für diesen. Im Internet sind zudem zahlreiche deutlich billigere Alternativen erhältlich.

(c) Ebay

Die schlechte Nachricht für jene, die mit einem Kauf des Remarkable 1 liebäugeln: Das Gerät wird vom Hersteller nicht mehr angeboten. Viele gebrauchte Exemplare sind jedoch noch für rund 200 Euro verfügbar. Ein nachhaltiges Investment war das Tablet damit nicht. Neupreis und gleichzeitig einer der größten Kritikpunkte im Jahr 2017: 630 Euro. Immerhin inklusive Stift.

Ein weiterer Pluspunkt im Vergleich zur Konkurrenz ist auch beim Ursprungsmodell der Akku: Nach rund vier Jahren des nahezu täglichen Gebrauchs muss das Gerät nur einmal pro Woche geladen werden.

Was kann das aktuelle Modell?

Das Remarkable 2 kann an die Vorzüge des Erstlingswerks anschließen. Das Schreibgefühl ist unschlagbar und lässt Verfechter des Papiers ratlos zurück, wie die Autorin selbst. Es gibt kaum mehr Argumente für sperrige Notizbücher. Mit einem Gewicht von knapp 400 Gramm und den Ausmaßen eines A4-Papiers passt es in nahezu jede Tasche und nimmt auch auf dem Tisch kaum Platz ein. Bei Interviews verschwindet der Gesichtsbalken, der durch einen aufgeklappten Bildschirm entsteht. Das wissen auch Gesprächspartner zu schätzen.

PDFs und alles, was sich dazu umwandeln lässt, haben auf dem Gerät Platz und lassen sich mit Notizen direkt ergänzen. Auch das offene E-Book-Format E-Pub verdaut das Remarkable 2 anstandslos. Das erfolgt einfach per USB-Kabel (USB-C-Kabel wird mitgeliefert). Über die Website, die in den Einstellungen zu finden ist, können alle Inhalte direkt vom PC auf das Gerät geladen werden. Nachdem sich nahezu alles in ein PDF umwandeln lässt, können Excel-Listen und Websites importiert werden. Besonders für die Recherche oder den Zweck, Inhalte offline zu genießen, lohnt der kurze Aufwand. Die Passagen können markiert werden und werden zudem auch begradigt. Zum Exportieren kann auch ausgewählt werden, ob die markierten Textstellen dann pink oder traditionell gelb angezeigt werden.

Handschrifterkennung - wir lernen einander kennen

Um den Ehemann der Autorin zu zitieren: „Du hast eine wunderschöne Schrift, unleserlich, aber sehr schön.“ Ähnlich scheinen die norwegischen Hersteller gedacht zu haben, was ihre Cloud-Lösung zeigt. Denn die ersten Versuche, meine Handschrift in Text umzuwandeln, haben ein paar herrliche Missverständnisse zutage gefördert. Aber es wird von Mal zu Mal besser. Die Korrekturen lassen sich direkt am Remarkable vornehmen, dafür erscheint dann auch passenderweise eine Tastatur auf dem Display. Vorausgesetzt, das Remarkable 2 ist mit dem Internet verbunden. Einer der seltenen Momente, in denen es im Netz hängen muss.

Die konvertierten Texte können leider nicht auf dem Gerät gespeichert werden. Sie können aber direkt per Mail verschickt werden. In diesem Fall war der Workaround meist, den Text direkt an sich selbst zu verschicken. Waren es wichtige Inhalte, wurden sie kurzum wieder als PDF auf das Gerät übertragen. Dieser unnötige Weg sollte vielleicht noch mal von den Entwicklern überdacht werden.

Der separat erhältliche Stift lässt sich an der Seite per Magnet fixieren. Im Gegensatz zu anderen Modellen für Samsung- und Apple-Geräte muss dieser nicht aufgeladen werden. Er ist immer einsatzbereit. Die leicht raue Oberfläche des Stifts bewirkt, dass er gut in der Hand liegt und selbst bei leicht schwitzigen Händen nicht rutscht. Schade ist, dass es im Vergleich zur ersten Version kein verstecktes Fach für die Extra-Spitzen gibt.

Der Favorit unter den Stiften

Apropos mitgelieferte Spitzen: Diese sind nach einem vierwöchigen Intensivtest bislang noch nicht zum Einsatz gekommen. Das Original hält weiterhin tapfer durch. Das hängt sicherlich auch davon ab, wie fest aufgedrückt wird. Auch wenn bereits erste Abnutzungserscheinungen an der Plastikspitze sichtbar werden. Ähnlich einem Bleistift, der nach kurzer Zeit auf einer Seite flacher und somit breiter schreibt.

Insgesamt stehen acht verschiedene Stifte zur Wahl: Fineliner, Ballpoint (also Kugelschreiber), ein Bleistift, ein Druckbleistift, ein Kalligrafie-Stift, ein Textmarker und ein Pinsel. Sehr angenehm ist, dass sich auch die Dicke einstellen lässt. Der geheime Favorit: Fineliner mit dicker Spitze. Einziger Kritikpunkt: das eingeführte Abo, denn nur mit dem wird die Handschrift in leserlichen Text umgewandelt, aber nicht auf dem Gerät gespeichert.

Bye-bye, Filofax

(c) Etsy

Es sorgt immer für Verwirrung unter Bekannten und Kollegen, wenn die hier schreibende Autorin mit einem Old-School-Filofax auftaucht, wenn es um Terminkoordination geht. Denn hier gilt: Was einmal mit der Hand geschrieben ist, wird weniger leicht vergessen. Ein Terminplaner im Handy fristet immer ein kaum beachtetes Dasein. Es funktioniert nicht, mit dem Remarkable 2 ist aber ein toller Kompromiss möglich. Die Termine sind digital gespeichert und können auch verschickt werden, aber sie werden noch immer handschriftlich notiert.

(c) Lamy

Das Schreiben macht auf dem Gadget tatsächlich so viel Spaß, dass sogar der in die Jahre gekommene Kalender nun bald in die Schublade wandern muss. Als Erinnerung an frühere Zeiten. Denn mit dem 1. Jänner 2023 wird auch dieser Teil der Organisation digital. Um eine entsprechende Vorlage zu bekommen reicht ein kurzer Blick auf Etsy. Hier gibt es alles, was das Herz begehrt. Hier bekommt man garantiert den Kalender, der die eigenen Bedürfnisse am besten erfüllt, und das für wenig Geld. Der Kalender für 2023 mit Tageseinträgen war für knapp fünf Euro zu haben.

Der Preis - mit Sparmöglichkeiten

Das Remarkable 2 kostet stolze 349 Euro. Im Lieferumfang ist nicht viel enthalten: ein USB-C-Kabel und neun Spitzen zum Austauschen. Der Stift wird extra verrechnet. 79 Euro werden für die Standardversion fällig, wer auf der Rückseite noch einen Radierer haben möchte (der nicht unbedingt notwendig ist), muss 129 Euro dafür bezahlen. Die Hüllen bzw. das Folio, das es zu einem Notizbuch mit Cover macht, kosten zwischen 69 und 159 Euro. Deutlich günstiger ist es, beim Zubehör nicht unbedingt das Original zu kaufen. Auch hier zeigt Etsy tolle und vor allem günstige Alternativen. Bei den Stiften reicht das Angebot von Staedtler bis hin zu Lamy.

Fazit: Das Remarkable 2 hat alles, was ein digitales Notizbuch bieten muss, und noch viel mehr. Das Zettelchaos hat ausgedient, selbst bei kleinen Notizen, für die man sonst immer einen Schmierzettel gesucht hat. Wenn diese nicht mehr benötigt werden, wird das Radier-Lasso (Einstellung am Remarkable, direkt in der Seitenleiste) ausgeworfen und alles mit nur einer Handbewegung wieder gelöscht. Das größte Plus ist aber tatsächlich die Haptik: Papier vermisst man nicht mehr. Die Verzögerung, die vom Schreiben zur Anzeige vergeht, ist nicht spürbar, weil es sehr schnell geht. Selbst der E-Reader hätte jetzt ernsthaft Konkurrenz, wenn das Gerät eine Hintergrundbeleuchtung hätte. Aber so werden diese zwei E-Ink-Technologien in friedlicher Harmonie privat und beruflich eine getrennte Daseinsberechtigung haben. Doch das könnte sich mit der dritten Generation vielleicht ändern.

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