Schellhorn am Samstag

Wir versinken im Schuldensumpf, und niemanden scheint es zu stören

Das Finanzministerium schlägt Alarm: Die Staatsverschuldung steigt bis 2060 auf 120 Prozent des BIPs. Das ließe sich freilich ändern, wenn man nur wollte.

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Franz Schellhorn ist Direktor der Denkfabrik Agenda Austria und war bis 2013 Leiter des Wirtschaftsressorts der „Presse“.

Mit langfristigen Prognosen ist das so eine Sache. Vor fast genau zehn Jahren schreckten die Ökonomen Carl Benedikt Frey und Michael Osborne die Welt mit einer Studie, derzufolge jeder zweite Job „wegdigitalisiert“ werde. Egal, ob Fabriksarbeiter, Buchhalter, Taxifahrer, Anwalt oder Bürokraft, sie alle würden „in ein bis zwei Jahrzehnten“ durch intelligente Software ersetzt werden. Heute wissen wir: Egal, ob Industrieunternehmen, Steuerberater, Taxiunternehmen, Anwaltskanzlei oder ganz normaler Handelsbetrieb: Sie alle suchen händeringend nach Mitarbeitern, die sie nirgendwo mehr finden können. Nicht der Menschheit geht die Arbeit aus, sondern den Unternehmen die arbeitenden Menschen.

Deutlich bessere Chancen auf Erfüllung hat eine aktuelle Langfristprognose des Finanzministeriums, wonach die Staatsverschuldung regelrecht explodieren wird. Wie ein Bericht der „Presse“ vom vergangenen Donnerstag zeigt, werden die Verbindlichkeiten nicht nur in absoluten Zahlen durch die Decke gehen, sondern auch gemessen an der Wirtschaftsleistung: Bis 2060 wird die Staatsverschuldung im Verhältnis zum BIP auf 120 Prozent ansteigen. Das ist angesichts steigender Zinsen keine durchschlagend beruhigende Aussicht. Getrieben werden die steigenden Staatsschulden von den anschwellenden Ausgaben des Sozialstaats. Während die Zahl der Erwerbstätigen stagniert, wächst die Zahl der vom Staat zu alimentierenden Teile der Bevölkerung.

Besonders belastet wird der Staatshaushalt künftig (welch Überraschung!) von den Pensionen. Die Kosten der Alterssicherung steigen aus Sicht der Prognostiker bis 2060 von 13,4 auf 15,1 Prozent der Wirtschaftsleistung. Dabei dürfte es sich eher um ein „Best-Case“-Szenario handeln, gründet die BMF-Prognose doch auf der Annahme einer anhaltend stabilen wirtschaftlichen Entwicklung. Während sich die demografische Entwicklung der Bevölkerung und die damit verbundenen Kosten schon heute gut schätzen lassen, ist völlig offen, auf welcher Stufe der Wertschöpfungskette sich die heimische Volkswirtschaft im Jahr 2060 befinden wird. Möglicherweise können wir unseren Wohlstand mit erhöhter Produktivität locker halten, sehr wahrscheinlich ist das aber nicht. Seit Jahren verliert Österreich im Vergleich zu anderen Ländern an Wettbewerbskraft, ohne dass das irgendjemanden auf der Regierungsbank zu beunruhigen schiene. Dabei weiß heute jeder Minister, dass 2050 nur noch 1,3 Erwerbstätige auf einen Pensionisten kommen werden. Was hingegen niemand weiß, ist, wie viel weniger die weniger werdenden Erwerbstätigen künftig arbeiten und in welchen Berufsfeldern sie tätig sein werden.

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