Umwelt

So teuer kommt der Verlust der Artenvielfalt

Die schlechte Nachricht: Der Verlust der Artenvielfalt kostet Hunderte von Milliarden. Die gute Nachricht: Das Geld ist vorhanden.

In Montreal geht die Konferenz der Vertragsstaaten der Biodiversität allmählich in die entscheidende Runde. Noch ist unklar, ob – zumindest bei den Bekenntnissen zu Zielen – in der kommenden Woche ein Durchbruch gelingen wird. Fest steht zu diesem Zeitpunkt, dass viel Geld benötigt wird, um den dramatischen Schwund in der Vielfalt der Arten zu bremsen und umzukehren. Sehr viel Geld.

Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) hat zu dem Thema eine Studie erstellt und kommt zum Schluss, dass derzeit weltweit 154 Milliarden US-Dollar für so genannte naturverträgliche Lösungen ausgegeben werden, jährlich. Damit das Artensterben nicht weiter um sich greift, sei bis 2025 mehr als das Doppelte – 384 Mrd. Dollar pro Jahr – nötig; bis 2030 dann nicht weniger als 484 Mrd. jährlich, und bis 2050 müsste diese jährliche Summe auf 674 Mrd. steigen.

Die Basis für diese Zahlen sind die Biodiversitäts-Strategien der einzelnen Staaten und die damit verknüpften Aktionspläne. In der Berechnung enthalten sind außerdem die Kosten für Maßnahmen, mit denen (etwa durch Erosion) degradiertes Land revitalisiert wird. Der UNEP-Report ist bereits der zweite seiner Art.

In den Berechnungen sind auch Investitionen dabei, die bewirken, dass der Ausstoß von Treibhausgasen so verringert wird, dass die Zunahme der globalen Durchschnittstemperatur im Jahr 2100 nicht mehr als zwei Grad und idealerweise nicht mehr als 1,5 Grad Celsius ausmacht. Das World Economic Forum (WEF) hat dazu berechnet, dass die Einhaltung des Klimazieles mehr als 30 Billiarden Dollar an Business auslöst. Das WEF glaubt auch, dass durch das konsequente Beschreiten dieses Pfades bis zum Jahr 2030 bis zu 395 Millionen Jobs geschaffen werden.

Zu viel Geld für zu viel Zerstörung

Diese unvorstellbar hohen Summen schrecken die Experten nicht. Denn das Geld ist da, es muss nur umgeleitet werden. Die Autoren der Arbeit haben drei Bereiche näher unter die Lupe genommen: Subventionen für die Landwirtschaft, für den Energiesektor und für die Fischerei. Landwirtschaft bekomme demnach bis 510 Mrd. jährlich, der fossile Energiesektor bis zu 530 Mrd; die Fischerei im Vergleich dazu bloß magere 17 Mrd. Insgesamt kommen hier fast 500 bis zu 1057 Milliarden jährlich zusammen. Würde dieses Geld umgeleitet, dann wären nicht nur finanzielle Ressourcen für umweltverträgliche Wirtschaft vorhanden, sondern es gingen auch die Folgen der Natur- und Umweltzerstörung und die Befeuerung der Klimakrise drastisch zurück.

Diese Rechnung, die derzeit nur auf dem Papier besteht, geht allerdings nur dann auf, wenn es die richtigen Maßnahmen sind, die gesetzt werden. Denn wenn von „nature based solutions“ (NBS) die Rede ist, dann gibt es nicht bei allen Beteiligten einen Konsens darüber, was damit tatsächlich gemeint ist – und was in der Folge förderungswürdig ist und was nicht.

Was in der Klimapolitik noch einigermaßen argumentierbar ist – Klimaneutralität – ist bei der Biodiversität kaum bis gar nicht möglich. Klimaneutralität bedeutet, dass es manche Emission von Treibhausgasen immer noch geben wird, für die dann aber eine Kompensationsmaßnahme gesetzt werden muss, indem eine CO2-Senke zu schaffen ist. Eine Wirtschaftsweise mit dem Label „net-zero“ und „net-positive“ ist allerdings bei der Biodiversität nicht umsetzbar. Denn es würde bedeuten, dass einerseits ein Artenverlust in Kauf genommen wird, während andernorts zum Ausgleich ein Mehr an Artenvielfalt zugelassen werde. Art ist aber nicht gleich Art und im Netzwerk der Erde hat jeder Bodentyp und jede Spezies seine Funktion.

Nicht nur die Maßstäbe, nach denen dies über die Bühne gehen könnte, sind unklar, sondern auch das konkrete Commitment steht in den Sternen. Um sich dem auch nur anzunähern, bedürfe es „Offenlegung von klima- und naturbezogenen finanziellen Risiken, des Wie der einzelnen Produktionsschritte und einer vollen Transparenz entlang der gesamten Wertschöpfungskette“, heißt es in der Studie. Gerade hier gebe es bisher noch viel zu wenige Lichtblicke.

Darüber, was zu tun ist, können Wissenschaftler schon mit einiger Bestimmtheit Auskunft geben. So sind – um das Ziel einer maximalen Temperaturerhöhung um 1,5 Grad nicht zu überschreiten - bis zum Jahr 2030 nicht weniger als 913 Millionen Hektar beeinträchtigter bzw. verloren gegangener natürlicher Flächen zu restaurieren und zu revitalisieren. Fast ein Drittel der Maßnahmen betreffen Wälder, weniger als ein Zehntel - 76 Millionen Hektar – Gebiete, die nicht oder nicht ausreichend unter Schutz stehen, sich also selbst überlassen werden.

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