Daniel Kaluuya hat keinen Grund zum Weinen: Jordan Peeles Horrorsatire „Get Out“ landete heuer auf Platz 100 der „Greatest Films of All Time“.
Streamingtipps

Wo man die „besten Filme“ streamen kann

Wer Filme aus dem Kinokanon im Stream sehen will, steht in Österreich vor einem Problem: Die Abos von Netflix & Co sind hier nur dürftig bestückt. Woran das liegt – und welche filmhistorischen Bildungslücken man dennoch schließen kann.

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Jetzt ist sie also endlich wieder neu erschienen: Die Liste mit den „Greatest Films of All Time“, die das britische Filmmagazin „Sight & Sound“ seit 1952 alle zehn Jahre publiziert, nach einer umfassenden Umfrage unter Filmexpertinnen und -experten. In Fachkreisen ist die Bekanntgabe der Auswahl stets ein kleines Ereignis, eine Art Mini-WM für die Filmkritik. Doch auch unabhängig vom distinguierten Cineastentum lockt die Rangliste Menschen an, die Lust haben, ihre filmische Allgemeinbildung zu testen: Wie viele der genannten Filme kenne ich? Wie viele habe ich schon gesehen, welche will ich unbedingt noch nachholen? Und welche könnte ich bei Bedarf morgen schon streamen?

Streamingwelt ohne Geschichte. Ein Abgleich mit den Abo-Sortimenten der wichtigsten in Österreich verfügbaren Streaminganbieter (Netflix, Disney+, Amazon, Apple, Sky, Mubi) zeichnet ein ernüchterndes Bild: Von den 100 gereihten Titeln der „Sight & Sound“-Selektion finden sich dort nur 22, davon bloß sieben im Fundus der vier dominanten US-Dienste.

Aus den Top 10 sind zwei verfügbar: Stanley Kubricks Sci-Fi-Psychotrip „2001“ (Platz sechs, Sky) und Dziga Vertovs sowjetisches Avantgardestück „Der Mann mit der Kamera“ (Platz neun, Mubi). Chantal Akermans modernen Klassiker „Jeanne Dielman“ (1975), heuer erstmals überraschend auf Platz eins, gibt es bei uns überhaupt nicht im Online-Angebot – auch nicht zum Leihen oder Kaufen.

Wer jetzt „Skandal!“ ruft, dem könnte man vieles entgegenhalten. Die Liste sei überholt, ihre Urheber steckten in der Vergangenheit fest. Was die großen Streaming-Abos bieten, bestimme der Massengeschmack, und der habe für alte Schinken nichts übrig. Wer Spezialitäten sehen will, könne die meisten ja kaufen, auch online. Das war früher nicht anders – da mussten filmkünstlerische Feinschmecker auch in die „gut sortierte“ Videothek!

(c) Netflix

Doch gut sortiert im filmkulturellen Sinn ist das kommerziell ausgerichtete Internet eben nicht – obwohl das Netzkino-Abo-Buffet von Netflix & Co bei vielen den Eindruck erweckt, man könne doch eh immer „alles“ schauen. Apropos Netflix: Der Streaming-Spitzenreiter führt genau vier Filme aus der S&S-Liste: Hayao Miyazakis Anime-Perlen „Mein Nachbar Totoro“ (Platz 74) und „Chihiros Reise ins Zauberland“ (Platz 75), Martin Scorseses kultigen Gangsterfilm „GoodFellas“ (Platz 63). Und, erstaunlicherweise, Carl Theodor Dreyers Glaubensdrama „Das Wort“ (Platz 48) – als Kunstfilm ein absoluter Ausreißer. Diese karge Auslese ist durchaus repräsentativ für das historische Angebot von Top-Streamern; da kommen jüngere Menschen gar nicht erst auf die Idee, es könnte so etwas wie Filmgeschichte geben.

Es sei denn, sie nutzen Mubi, den globalen Platzhirsch der Filmdelikatessen-Dienste: In dessen Abo finden sich Robert Bressons kraftvolle Fabel „Zum Beispiel Balthazar“ (Platz 25), – deren Remake „Eo“ bald bei uns ins Kino kommt –, Chris Markers berückender Filmessay „Sans Soleil“ (Platz 59) sowie Agnès Vardas verspielte Freeganer-Doku „Die Sammler und die Sammlerin“ (Platz 70). Besser als nichts, aber immer noch ziemlich dürftig.

Potenzielle Abonnenten. Dass Länder wie die USA, England und Frankreich in filmhistorischer Streaming-Hinsicht weit besser aufgestellt sind als der deutschsprachige Raum, hat viele Gründe: mehr spezialisierte Abo-Anbieter (darunter der renommierte Criterion Channel), weniger Rechtsstreitigkeiten. Auch das in hiesigen Gefilden mangelnde Bewusstsein für Film als „Kulturgut“, das über seinen Unterhaltungswert hinaus Bedeutung hat, trägt zum Fehlbestand bei. Zum Vergleich: Jene drei Filme von Andrej Tarkowski, die auf der S&S-Liste stehen („Andrej Rubljow“, „Der Spiegel“, „Stalker“) hat der staatliche russische Filmkonzern Mosfilm in guter Qualität und mit englischen Untertiteln auf YouTube gestellt. (Ob man sie derzeit anklicken möchte, ist eine andere Frage.) „M - Eine Stadt sucht einen Mörder“ (Platz 37) – das deutsche Original von Fritz Lang, nicht die Serie von David Schalko – gibt es indes nur im Abo von Amazon. Und: Sogar jüngere Kultfilme aus der Liste sind rar gesät. Zumindest Jordan Peeles Horrorsatire „Get Out“ (Platz 100) gibt es bei Sky. Dabei gäbe es hier genügend Interessierte – und potenzielle Abonnenten.

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