Brüssel

Von Katar bestochen? Vize-Präsidentin des EU-Parlaments festgenommen

Eva Kaili
Eva Kaili(c) IMAGO/ZUMA Wire (IMAGO/Eurokinissi)
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Die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Eva Kaili, und vier weitere Personen sind festgenommen worden. Es geht um Ermittlungen zu Korruption, Geldwäsche und versuchter Einflussnahme eines Golfstaats. Laut Medienberichten handelt es sich um Katar.

Ermittlungen zu Korruption, Geldwäsche und versuchter Einflussnahme eines Golfstaats erschüttern das Europaparlament. Nach Angaben der belgischen Staatsanwaltschaft gab es am Freitag 16 Durchsuchungen. Fünf Personen wurden festgenommen, darunter auch die Vizepräsidentin des Parlaments, Eva Kaili. Sie wurde aus ihrer griechischen Partei - der Panhellenischen Sozialistischen Bewegung (PASOK) - ausgeschlossen, die Fraktion im EU-Parlament setzte Kailis Mitgliedschaft aus.

Bei den Ermittlungen gehe es um eine mutmaßliche kriminelle Organisation sowie Vorwürfe von Korruption und Geldwäsche, teilte die Behörde mit. Welcher Golfstaat mutmaßlich Einfluss auf das Parlament auszuüben versucht, teilte die Staatsanwaltschaft nicht mit. Die belgische Polizei habe seit mehreren Monaten den Verdacht, dass ein Golfstaat versuche, die politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen des EU-Parlaments zu beeinflussen. Einer Recherche der Zeitung "Le Soir" und des Magazins "Knack" zufolge handelt es sich um das Emirat Katar. Beträchtliche Geldsummen oder Sachgeschenke seien vermutlich an Personen im Parlament verteilt worden, die eine politische oder strategische Position innehätten.

Bei den Durchsuchungen wurden unter anderem 600.000 Euro Bargeld sowie Handys beschlagnahmt. Laut griechischen Medien soll auch der Vater Kailis dabei entdeckt worden sein, wie er sich mit einer Aktentasche voller Geld aus dem Staub machen wollte.

Bargeld und Handys beschlagnahmt

Unter den Befragten ist laut der Staatsanwaltschaft auch ein ehemaliger EU-Abgeordneter. Den gemeinsamen Recherchen von "Le Soir" und "Knack" zufolge handelt es sich bei einem beschuldigten Ex-Europaabgeordneten um den italienischen Sozialdemokraten Pier Antonio Panzeri, der von 2004 bis 2019 im Parlament saß und heute die Nichtregierungsorganisation (NGO) Fight Impunity leitet, die sich gegen Menschenrechtsverletzungen wendet. Eine Anfrage von AFP zu den Ermittlungen ließ Fight Impunity zunächst unbeantwortet.

"Le Soir" und "Knack" zufolge wurden zudem ein parlamentarischer Mitarbeiter und der Vorsitzende einer weiteren NGO festgenommen - sowie der Generalsekretär des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB), der Italiener Luca Visentini. Der IGB teilte auf seiner Website mit, die Organisation sei "über die in der Presse verbreiteten Informationen informiert", lehne jedoch "zum jetzigen Zeitpunkt" jeglichen Kommentar ab. Visentini hatte noch in dieser Woche in einem am Freitag von AFP veröffentlichten Interview über die Situation der Arbeiter in Katar gesprochen. Er rief insbesondere dazu auf, "weiterhin Druck auf die Behörden und Arbeitgeber auszuüben", um bessere Löhne und mehr Mobilität bei der Arbeit zu erreichen.

Rede zu Katar gehalten

Die Griechin Kaili wiederum hatte am 21. November eine Rede im Europaparlament zur Fußball-Weltmeisterschaft in Katar gehalten. Darin bezeichnete sie das Sport-Ereignis als Beweis dafür, "dass Sportdiplomatie einen historischen Wandel in einem Land bewirken kann, dessen Reformen die arabische Welt inspiriert haben". Katar habe etwa bei Arbeitsrechten eine Vorreiterrolle gespielt. Sie ist seit 2014 Europaabgeordnete und seit 2022 eine der 14 Vize-Präsidentinnen und -Präsidenten. Von 2004 bis 2007 war sie laut Lebenslauf auf der Parlaments-Homepage Nachrichtensprecherin und Journalistin, später auch noch PR-Beraterin in Griechenland.

Die Präsidentin des Europaparlaments, Roberta Metsola, unterstrich in einer Stellungnahme die Bedeutung des Kampfes gegen Korruption. "Unser Parlament steht entschieden gegen Korruption", schrieb die Politikerin aus Malta am Samstag auf Twitter. Zu den laufenden Ermittlungen gegen die griechische Vizepräsidentin - eine von 14 Stellvertretern - könne sie sich nicht äußern.

Metsola versicherte jedoch, das Parlament werde uneingeschränkt mit allen zuständigen Strafverfolgungs- und Justizbehörden zusammenarbeiten. "Wir werden alles tun, was wir können, um den Lauf der Gerechtigkeit zu unterstützen."

"Macht mich fassungslos"

Ähnlich äußerte sich die sozialdemokratische Fraktion des Parlaments. Die Fraktion habe keine Toleranz für Korruption. Zugleich müssten im Parlament die Arbeit an allen Themen, die die Golfstaaten betreffen, sowie die Plenarabstimmungen dazu ausgesetzt werden.

Der Ko-Vorsitzende der Arbeitsgruppe Anti-Korruption des Parlaments, Daniel Freund, zeigte sich von den Ermittlungen geschockt. "Die Vorwürfe müssen lückenlos aufgeklärt werden", sagte der Grünen-Politiker. Geld dürfe bei den Entscheidungen in Europas größtem Parlament keine Rolle spielen. Es drohe eine gewaltiger Vertrauensverlust.

Die deutsche Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Nicola Beer, zeigte sich schockiert. "Das macht mich fassungslos", sagte die FDP-Politikerin am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. "Es ist völlig klar, dass das insgesamt negative Auswirkungen auf das Parlament hat."

"Keine Toleranz" für Korruption

Beer sagte der dpa, Kaili habe das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger ins Europaparlament erschüttert. "Ich hoffe, dass sie von sich aus Konsequenzen zieht." Zunächst solle sie ihren Posten als stellvertretende Präsidentin des Europaparlaments abgeben. Falls die Ermittlungen den Verdacht bestätigen, solle die frühere Journalistin auch als Abgeordnete zurücktreten.

Seitens der griechischen Sozialdemokraten PASOK-KINAL hieß es zum Ausschluss Kailis, es gebe in der Partei "keine Toleranz" für Korruption. "Wir sind in einem solchen Fall kompromisslos", erklärte Sprecher Dimitris Mantzos. In der Partei werde auch "Druck ausgeübt, damit Frau Kaili ihren Parlamentssitz abgibt."

Mantzos sprach von "wichtigen und unüberbrückbaren Differenzen", zwischen Kaili und PASOK-KINAL. Diese würden "ihre Positionen und die von ihr vertretenen Werte" betreffen. Daher sei Parteichef Nikos Androulakis bereits vor Monaten auf Distanz zu Kaili gegangen. Androulakis hatte die EU-Abgeordnete bereits zu einem früheren Zeitpunkt einmal als "Trojanisches Pferd" der griechischen Regierungspartei ND (Nea Dimokratia) bezeichnet.

(APA)

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