Wort der Woche

Kreislaufwirtschaft

Gut so, dass Österreich nun den Umbau unseres linearen Wirtschaftssystems zu einer Kreislaufwirtschaft forciert. Wunder darf man sich davon aber keine erwarten.

Österreich soll nach dem Willen der Bundesregierung zu einem Vorreiter in Sachen einer klimaneutralen und nachhaltigen Kreislaufwirtschaft werden: Laut der eben beschlossenen Kreislaufwirtschaftsstrategie soll unser lineares Wirtschaftssystem (aus Rohstoffen stellt man Produkte her, die am Ende zu Abfall werden) möglichst rasch zu einem zirkulären System umgebaut werden, in dem der Wert von Produkten, Stoffen und Ressourcen innerhalb der Wirtschaft so lang wie möglich erhalten bleibt und möglichst wenig Abfall und Umweltbelastung erzeugt wird; Abfälle werden dabei als wertvolle Rohstoffe für neue Produkte angesehen.

Man darf von der Kreislaufwirtschaft aber keine Wunder erwarten, machte Helmut Haberl kürzlich bei seiner Antrittsvorlesung als Professor für sozialökonomischen Stoffwechsel an der Universität für Bodenkultur deutlich. Denn dem stehen zwei Grundgesetze der Physik entgegen: Eine Folge des 1. Hauptsatzes der Thermodynamik ist, dass Materialbestände in einem Kreislaufsystem im besten Fall konstant gehalten werden können – jegliches Wachstum erfordert einen zusätzlichen Materialinput. Und eine Konsequenz des 2. Hauptsatzes der Thermodynamik ist, dass Recycling niemals alle Primärrohstoffe regenerieren kann – und dass umso mehr Energie nötig ist, je ungeordneter die Abfälle sind (also je größer die Entropie ist).

Die eben beschlossene Kreislaufwirtschaftsstrategie – die von Umweltschützern zu Recht gelobt wird – berücksichtigt diese beiden Tatsachen zum Teil: Als Ziel ist eine Reduktion des Ressourcenverbrauchs formuliert – nämlich bis 2050 von derzeit 33 auf sieben Tonnen pro Kopf und Jahr. Die Strategie sieht im Recycling nicht das Allheilmittel – vielmehr ist das Zurückgewinnen von Rohstoffen das letzte Mittel in einer Kette von Maßnahmen, die von langlebigem Design über Reparieren bis hin zum Wiederverwerten reicht. Überdies sollen Produkte künftig so gestaltet werden, dass man sie am Ende ihrer Lebensdauer bestmöglich trennen kann.

Allerdings ist die Strategie auf einem anderen Auge, das Haberl stark betont, relativ blind: Der Großteil der Rohstoffe fließt nämlich nicht in Gebrauchsgegenstände, sondern in die Infrastruktur (Gebäude, Straßen, Maschinen etc.), wo die Materialien für lange Zeit verbleiben und ihr Bestand stetig wächst. Das bedeutet: Selbst wenn man die Stoffkreisläufe komplett schließt, kann man Ressourcenhunger damit sicher nicht befriedigen.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2022)

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