Kritik

Ein Dirigent, der weiß, was er tut

Jubel im Konzerthaus für die Wiener Symphoniker unter Thomas Guggeis.

Mit seinen 29 Jahren kann Thomas Guggeis schon auf eine beachtliche Karriere zurückblicken. Seit 2019 ist er Staatskapellmeister der Berliner „Linden“-Oper, ein Posten, den man extra für den von Daniel Barenboim geförderten jungen Dirigenten geschaffen hat. Im Herbst 2023 wird er für fünf Jahre als Generalmusikdirektor ans Frankfurter Opernhaus wechseln. Diese Position war schon oft Sprungbrett für glänzende Laufbahnen, man denke nur an Sir Georg Solti, Christoph von Dohnányi oder Michael Gielen. Parallel dazu wird Guggeis auch Gastdirigate wahrnehmen, die ihn schon bisher zu bedeutenden Orchestern und Opernhäusern geführt haben, auch an die Staatsoper und das Theater an der Wien.

Dieser Tage war und ist er – heute in der Matinee im Wiener Konzerthaus – am Pult der Wiener Symphoniker zu erleben. Dafür hat er sich als Hauptwerk eines der anspruchsvollsten Stücke der deutschen Romantik ausgesucht: die zu Unrecht im Schatten der vierten Symphonie, der „Italienischen“, stehende dritte Symphonie von Felix Mendelssohn Bartholdy, seine „Schottische“. Wie in Schumanns Vierter sind in ihr die vier Sätze pausenlos zu einer Einheit verbunden. Zudem wird das gesamte Opus von einem elegischen Thema als einer Art Leitmotiv durchzogen. Was sich alles an musikalischen Konflikten in dieser Symphonie entwickeln wird, kündigt sich in der zwischen schwärmerischer Leidenschaft und schmerzlicher Resignation changierenden Andante-con-moto-Einleitung des Stirnsatzes an.

Aus diesem, von ihm besonders prägnant gezeichneten Entree hat Guggeis seine Interpretation entwickelt. Dabei beeindruckte er mit durchdachter Tempowahl, führte das Orchester bruchlos von der einen in die andere Satzatmosphäre und nahm sich jeweils Zeit, um die Spezifika der einzelnen Abschnitte klar herauszuarbeiten. Am perfektesten konnte er sein Konzept im Stirnsatz darstellen. Zuweilen militärische Züge zeigte seine, die Brillanz dieses Satzes effektvoll hervorkehrende Lesart des Allegro vivace; tiefer hätte man die kantablen Schönheiten des Adagios ausloten können.
Trotz dieser Einschränkungen bestach dieser Mendelssohn durch seine großen, leuchtenden Bögen. Denn bei aller analytischen Schärfe behielt Guggeis stets das melodische Anliegen dieses a-Moll-Werks im Auge.

Großer Solist

So klanglich differenziert und beseelt hat man die Symphoniker lang nicht mehr musizieren gehört. Sie sollten diesen mit sympathischer Zurückhaltung agierenden Maestro im Auge behalten, vielleicht auch für eine künftige Führungsaufgabe. Selbst wenn man sich von ihm mehr gestalterische Autorität beim – zugegebenermaßen schwierig zu begleitenden – Strawinsky-Violinkonzert erwartet hätte. Hier bewies ein entfesselter, die technischen wie musikalischen Ansprüche dieses Werks mit atemberaubender Leichtigkeit und Eindringlichkeit bewältigender Frank Peter Zimmermann seine Klasse. Besser geht es nicht.

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