Unterwegs

Ein kleiner Bildausschnitt vom Paradies

Der Müll auf den Malediven, der Bildausschnitt auf Instagram und die Krisen.

Es gerät in diesen Tagen fast schon zu einem kleinen Wagnis als Heimgekehrter vom Urlaub zu berichten. Überall lauern Small-Talk-Fallstricke und schlechtes Gewissen – von der Frage, wie weit denn geflogen wurde und ob das wirklich nötig sei, bis hin zur Weltlage, die in ihrer Ernsthaftigkeit jede Reise ins kurze Glück überschattet.

Der Flug von Wien nach Malé war jedenfalls bis auf den letzten Platz ausgebucht. Beim Warten auf das Gepäck gleich die erste Erkenntnis: Die Malediven sind eines der Urlaubsländer, in denen noch Direktflüge aus Moskau landen. Die Atolle sind gut gefüllt mit Russen. Mitten im Ozean wirkten die europäischen Probleme aber weit weg. Über die Ukraine wurde hier so viel gesprochen, wie sich Europäer über Burma (Myanmar) unterhalten. So gut wie gar nicht.

Die zweite Erkenntnis wartete am Strand: Ja, die Malediven können mit traumhaft türkisem Wasser aufwarten, es gibt Delfine, Haie, Meeresschildkröten, Papageie, Papageienfische und Einsiedlerkrebse zu bestaunen. Aber das Idyll, die zum Mythos verklärte Insel, ist eben nicht losgekoppelt von der Welt. Jeden Morgen schwemmte die Strömung eine Auswahl der Dinge an, die wir Menschen für unsere flüchtigen Bequemlichkeiten in die Welt setzen. Flaschen, Styropor, Zahnpastatuben, sogar einen Stabmixer.

Jeden Morgen räumte ein Mann mit einer Scheibtruhe den Müll von den Touristenstränden. Damit er nicht auf den Instagramfotos auftaucht, die mittlerweile für nicht wenige eine weitere Motivation zu sein scheinen, um die halbe Welt zu reisen. Im Internet sieht das dann alles schön sauber aus. Ein kleiner Bildausschnitt vom Paradies, das so nicht mehr existiert.

christoph.zotter@diepresse.com

Nächste Woche: Inna Hartwich

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2022)

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