In Montreal wird verhandelt darüber, wie der dramatische Schwund der Artenvielfalt aufgehalten wird. Die Konferenz ist wichtig, aber nicht entscheidend.
Umweltkonferenzen haben eine besondere Dynamik – wahrscheinlich deshalb, weil sie existenzielle Fragen stellen und Gewohntes in Zweifel ziehen. Wahrscheinlich deshalb werden reflexhaft die weitreichenden Entscheidungen, die anstehen, an die internationale Ebene delegiert.
Diese supranationale Bühne ist zweifelsohne wichtig: Denn auf ihr wird zunächst einmal ein (im Idealfall: weltweiter) Konsens hergestellt: über die Dringlichkeit eines Problems, über die Akzeptanz der Fakten. Das ist umso bedeutender, als solche internationalen Konferenzen ein internationales Medienecho auslösen und damit als Wegbereiter für die Bewusstseinsbildung bis in die letzte Ecke des Planeten wirken können. Das ist beim Einfluss des Menschen auf das Klima ebenso gelungen, wie beim dramatischen Schwund der Artenvielfalt bei Flora und Fauna. In beiden Fällen ist für die meisten Menschen klar: Wir sind in einer Krise.
Das Verständnis löst aber noch nicht das Problem – gerade bei diesen beiden Themen. Die Lösungen greifen tief in althergebrachte Gewohnheiten ein. Beide Krisen sind nur dann zu entschärfen, wenn vieles, wie die einen glauben, oder überhaupt alles, wie die anderen meinen, geändert werde. Wir müssen unseren Umgang mit dem, was wir Umwelt nennen, neu erfinden. Für solche Lösungen reichen zwei Konferenzwochen nicht, selbst dann nicht, wenn man einander jährlich trifft.
Die USA sind nur Zaungast
Und so sieht der Entwurf des Schlussdokuments aus: Es ist übersät mit Klammern, mit runden und mit eckigen und mit Fußnoten. Jede Klammer ist ein Punkt, der strittig ist, und gefeilt wird an jedem Wörtchen. Es ist die gewöhnliche Umklammerung eines jeden Schlussdokuments einer jeden Konferenz.
Beschlüsse der UN-Konferenzen bedürfen der Einstimmigkeit und bei der Artenvielfalt kommt noch als bizarre Note hinzu, dass eine zentrale Macht wie die USA hier bloß als Beobachter dabei ist, weil die US-Regierung der Konvention zur Erhaltung der Artenvielfalt nie beigetreten ist (und dies auch nicht absehbar ist).
Man riskiert also nichts mit einer Vorhersage, dass – gemessen an der Größe des Problems – das in Montreal erzielte Ergebnis viel zu schwach und gering ausfallen wird. Es wird so stark sein, wie dies die am wenigsten ambitionierten Länder wollen. Mehr als der kleinste gemeinsame Nenner geht nicht.
Das sollte aber jene, die weitere Schritte setzen wollen, nicht zurückhalten, dies auch zu tun. Von Montreal nach Hause kommen und jammern, ist keine Option. Denn die Entschärfung der Krise, die bedarf vor allem der Lösungen vor der eigenen Haustür.
Für Österreich bedeutet dies zum Beispiel, dass die Biodiversitäts-Strategie 2030 umgesetzt wird. Das ist keine Fleißaufgabe, sondern ein von der EU (und damit auch von Österreich) beschlossener Minimalkonsens. Und: Ja, man darf über diesen Minimal-Kompromiss auch hinausgehen. Die Artenvielfalt und wohl auch das Klima werden es uns danken.
Sind internationale Konferenzen – wie zuletzt in Sharm-El-Sheikh (Klima), Panama City (Artenschutz) oder Montreal (Biodiversität) – also überflüssig? Keineswegs. Denn sie sind auch ein Ort des grenzüberschreitenden Erfahrungsaustausches. Und auch der internationalen Verständigung: In Ausschüssen und Sub-Arbeitsgruppen arbeiten Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern zusammen. In Zeiten von Kriegen ist selbst das keine Selbstverständlichkeit.