Wirecard-Prozess

Verteidiger von Ex-Wirecard-Chef Braun setzt zum Rundumschlag an

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Brauns Anwälte wollen mehr Zeit für die Prüfung der Unterlagen. Der ehemalige Wirecard-Chef sehe sich deshalb derzeit nicht in der Lage, auszusagen.

Der Verteidiger des angeklagten Ex-Wirecard-Chefs Markus Braun versucht die Glaubwürdigkeit des Kronzeugen der Staatsanwaltschaft zu erschüttern. Rechtsanwalt Alfred Dierlamm griff den ehemaligen Statthalter von Wirecard in Dubai, Oliver Bellenhaus, am Montag vor dem Landgericht München frontal an. Seine Aussagen gegenüber der Staatsanwaltschaft seien nicht glaubwürdig und unplausibel.

"Bellenhaus ist nicht Kronzeuge", sagte Dierlamm. "Bellenhaus ist Haupttäter einer Bande", deren alleiniges Ziel es gewesen sei, Gelder aus dem Unternehmen herauszuleiten und zu veruntreuen. Braun sei seit der Insolvenz von Wirecard im Juni 2020 vorverurteilt worden wie kein anderer seiner Mandanten in 30 Jahren, sagte der Anwalt. "Die Vorverurteilung ist beispiellos wie prägend für dieses Verfahren." Auch das Oberlandesgericht, das für die Untersuchungshaft von Braun verantwortlich war, und der Wirecard-Untersuchungsausschuss des Bundestags seien der Falschaussage von Bellenhaus aufgesessen.

Die Münchner Staatsanwaltschaft hält Braun laut Anklage für den Kopf einer kriminellen Bande, die über Jahre die Bilanzen des einstigen Börsenlieblings gefälscht und milliardenschwere Scheingeschäfte erfunden habe, um Verluste zu verschleiern. Der 53-jährige Österreicher sieht sich dagegen selbst als Opfer von Managern um den flüchtigen ehemaligen Vorstand Jan Marsalek, die Milliarden beiseite geschafft hätten. Verteidiger Dierlamm warf den Ermittlern Voreingenommenheit und schwere Ermittlungspannen vor. Die Staatsanwaltschaft habe nach Marsaleks Flucht unter Erfolgsdruck gestanden. Damit sei klar gewesen: "Markus Braun musste hinter Gitter." Der über Jahre als Visionär gefeierte Ex-Vorstandschef sitzt seit rund zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft.

Aktenflut: Dierlamm will Prozess aussetzen lassen

Dierlamm kündigte einen Antrag an, den Betrugsprozess gegen seinen Mandanten sowie Bellenhaus und den ehemaligen Chefbuchhalter von Wirecard, Stephan von Erffa, auszusetzen. Er brauche mehr Zeit für die Prüfung dessen, "was uns auf den Tisch geschüttet wurde an Akten". Braun sehe sich deshalb derzeit nicht in der Lage auszusagen.

Der Ex-Vorstandschef beharrt darauf, dass das lukrative Geschäft von Wirecard mit Drittpartnern in Asien - anders als Bellenhaus behaupte - auch nach 2015 tatsächlich existiert hat. Das ergebe sich auch aus Kontoauszügen der Drittpartner in Deutschland, die aber erst später von der Staatsanwaltschaft geprüft worden seien. Darin seien zwischen 2016 und 2020 Einzahlungen von einer Milliarde Euro dokumentiert. "Von wegen null Euro, wie Herr Bellenhaus der Staatsanwaltschaft das vorgelogen hat." Allein an vier von Bellenhaus kontrollierte Firmen seien 750 Millionen Euro geflossen.

Dass Braun Anführer einer Bande sei, bezeichnete Dierlammn als "geradezu absurde und abwegige Vorstellung". Schließlich habe er "in der vollen Überzeugung der Werthaltigkeit seines Depots" an seinen Wirecard-Aktien festgehalten. Er habe seinen Wirecard-Anteil noch mit einem Immobilienkredit belastet - für "die Immobilie, in der seine Familie wohnt". Braun habe selbst eine forensische Untersuchung der Vorgänge bei Wirecard durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG veranlasst.

(APA)

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