Europäische Kleinkinder im Nebel

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Der Glaube daran, die Außenwelt sei der EU freundlich gesinnt und werde sie in Ruhe ihren Wohlstand vermehren lassen, ist naiv und gefährlich.

Es gibt Tage, an denen Europa halbwegs wohlgesinnte Menschen nicht anders können, als mit der EU mitzufühlen. Man würde die Union in solchen Momenten am liebsten in den Arm nehmen, ihr ein paar tröstliche Worte zusprechen und sie auf einen warmen Kakao einladen. Dieses Sentiment mag auf den ersten Blick unpassend wirken, doch es kommt davon, dass die EU in diesem Spätherbst wie ein Kleinkind wirkt, das sich im Nebel verlaufen hat. Die zusehends offen ausgetragenen Konflikte zwischen den Mitgliedstaaten, die immer öfter eingesetzte Vetodrohung, das unverhüllte Unvermögen, auf Akteure dies- wie jenseits der eigenen Außengrenzen einzuwirken, und jetzt ein Korruptionsskandal im demokratischen Herzen der Union – der Verdacht, dass die EU nach einem starken ersten Halbjahr, als sie Russland erfolgreich die Stirn geboten hat, nun hilflos und von den Herausforderungen überfordert sein könnte, lässt sich nicht mehr von der Hand weisen.

Dass nach dem Verdacht der Bestechlichkeit ranghoher Europapolitiker das Augenmerk nun auf den Möglichkeiten liegt, wie sich derartige Machinationen künftig unterbinden lassen, ist wichtig und richtig. Die unbequeme Frage, auf die die Verantwortlichen in Brüssel und Straßburg nicht so leicht eine Antwort geben können beziehungsweise wollen, lautet allerdings, warum es bis dato keine Barrieren gibt gegen Versuche der Einflussnahme durch Drittstaaten. Die Antwort weist auf ein fundamentales Problem hin, das den Korruptionsskandal rund um EU-Vizeparlamentspräsidentin Eva Kaili und das Emirat Katar mit unfairen US-Subventionen und der versuchten Einflussnahme durch China verbindet: Im Laufe des Integrationsprozesses ist es der EU gelungen, eine Legierung aus globalem Einfluss und provinzieller Naivität zu schmieden. Sie verbindet regulatorische Wirkung und die Macht des größten und wohlhabendsten Wirtschaftsblocks der Welt mit der Vorstellung, man müsse sich nicht offensiv um seine eigenen Interessen kümmern, weil man klein und reinen Herzens sei, weshalb man von der Außenwelt nichts zu befürchten habe und daher unbekümmert seinen Schrebergarten beackern könne.

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