Politikerin unter Korruptionsverdacht

EU-Parlament setzt Vizepräsidentin Kaili ab

Könnte für Katars Geschenke empfänglich gewesen sein: EU-Politikerin Eva Kaili (hier  bei einem Katar-Besuch im vergangenen Oktober mit Arbeitsminister Ali bin Samikh Al Marri, auf einem von dessen Ministerium verbreiteten Bild).
Könnte für Katars Geschenke empfänglich gewesen sein: EU-Politikerin Eva Kaili (hier bei einem Katar-Besuch im vergangenen Oktober mit Arbeitsminister Ali bin Samikh Al Marri, auf einem von dessen Ministerium verbreiteten Bild).(c) VIA REUTERS (TWITTER/MINISTRY OF LABOUR)
  • Drucken

Vorwürfe von Geldwäsche, Korruption und Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung stehen im Raum. Die Politikerin soll für Geldflüsse aus Katar empfänglich gewesen sein. Kaili weist jegliche Schuld von sich.

Die unter Korruptionsverdacht stehende Eva Kaili ist am Dienstag als Vizepräsidentin des Europaparlaments abgesetzt worden. Das Plenum des Europaparlaments stimmte mit überwiegender Mehrheit für die Absetzung der Griechin. Für die Entscheidung war eine Zweidrittelmehrheit nötig gewesen. Laut Nachrichtenagenturen gab es nur eine Gegenstimme.

Kaili selbst ließ über ihren Anwalt am Dienstag ihre Unschuld beteuern. „Ihre Position ist, dass sie unschuldig ist. Sie hat nichts mit Geldflüssen aus Katar zu tun, überhaupt nichts", sagte Michalis Dimitrakopoulos dem griechischen Fernsehsender Open. Zu Details dürfe er sich nicht äußern. Auch habe er kein Bild davon, ob Gelder gefunden worden seien und wenn ja, welche Summen. Dimitrakopoulos wies jedoch griechische Medienberichte zurück, wonach unter der Kinderwiege der kleinen Tochter von Kaili 160.000 Euro gefunden worden seien.

Auch der Internationale Gewerkschaftsbund und ihr vorübergehend festgenommener Generalsekretär Luca Visentini weisen jede Schuld von sich. „Ich bin froh, dass die Befragung abgeschlossen ist und ich alle Fragen vollständig beantworten konnte", sagte der Italiener einer am Dienstag veröffentlichen IGB-Mitteilung zufolge. „Sollten weitere Anschuldigungen erhoben werden, freue ich mich auf die Gelegenheit, sie zu widerlegen, da ich mir nichts vorzuwerfen habe." Jede Form von Korruption sei völlig inakzeptabel.

Mehrere Verhaftungen in Belgien

Visentini ist eine von sechs Personen, die seit Freitag von der belgischen Justiz festgenommen worden sind. Nach seiner Befragung wurde der 53-Jährige am Sonntag wieder freigelassen. Vier andere Verdächtige kamen dagegen in Untersuchungshaft - unter ihnen auch die Vizepräsidentin des Europaparlaments Eva Kaili. Sie werden der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, der Geldwäsche und der Korruption beschuldigt. Im Raum steht, dass das Golfemirat Katar, das derzeit die Fußball-Weltmeisterschaft ausrichtet, mit umfangreichen Geld- und Sachgeschenken versucht hat, Einfluss auf politische Entscheidungen im Europaparlament zu nehmen.

Der italienischen Zeitung „La Repubblica" sagte Visentini: „Ich bin in diese Untersuchung hineingeraten, weil ich mit der Stiftung 'Fight Impunity' zusammengearbeitet habe." Die Stiftung wurde von einem ehemaligen Europa-Abgeordneten aus Italien, Antonio Panzeri, gegründet, der ebenfalls festgenommen wurde. Gegen Panzeri wurde mittlerweile Haftbefehl erlassen.

Visentini sagte, er habe an einigen Konferenzen der NGO teilgenommen, dann aber habe sich herausgestellt, „dass es sich um eine kriminelle Organisation handelte, die im Namen und im Auftrag der Regierung von Katar und, wie es scheint, Marokko Bestechungspläne schmiedete, um zu versuchen, günstigere Bedingungen beim Europäischen Parlament zu erwirken." Er habe der Justiz die erforderlichen Informationen vorgelegt und sei auf dieser Grundlage „mit einigen minimalen Auflagen freigelassen" worden.

Der IGB stellte klar, dass die belgischen Behörden zu keinem Zeitpunkt angedeutet hätten, gegen den Gewerkschaftsbund zu ermitteln. Man habe sich seit mehr als elf Jahren für eine Reform des katarischen Arbeitsrechts eingesetzt. Jede Andeutung, dass Katar oder ein anderer Akteur die IGB-Position beeinflusst habe, sei falsch.

„Eine Institution wird in den Dreck gezogen"

Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) zeigte sich "erschüttert" von den Korruptionsvorwürfen. Es sei "wirklich unerträglich, dass hier eine Institution in den Dreck gezogen wird, gerade in einer Zeit, wo Demokratie etwas ganz Wichtiges ist", betonte Edtstadler am Dienstag in Brüssel. Angesprochen auf Konsequenzen für die Beziehungen zwischen Österreich und Katar angesichts der jüngsten Zusammenarbeit im Energiebereich erklärte die Europaministerin: Zuerst brauche es "Transparenz" und Aufklärung", dann "können wir weitere Schritte setzen".

Ähnlich äußerte sich Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne). "Es gehört rasch aufgeklärt, alles auf den Tisch und dann mit der entsprechenden Konsequenz versehen", sagte sie am Dienstag in Brüssel. Das zentrale Ziel müsse der Ausbau der erneuerbaren Energien sein, um Abhängigkeiten zu reduzieren, erklärte Gewessler mit in Hinblick auf die Beziehungen zu Katar. Es sei nun mal so, dass die Lieferländer von unter anderem Erdgas "im Schnitt nicht westliche Demokratien sind, das ist die Realität der Rohstoffversorgung in Europa".

Lückenlose Aufklärung angekündigt, Vermögenswerte eingefroren

EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola hatte sich bereits am Montag in einer eindringlichen Rede an das Parlament gewendet. Sie sprach angesichts der Enthüllungen von Wut, Zorn und Kummer. „Das Europäische Parlament, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird angegriffen, die europäische Demokratie wird angegriffen, und unsere Art der offenen, freien, demokratischen Gesellschaften wird angegriffen.“ Zugleich versprach die Malteserin eine lückenlose Aufklärung der Vorwürfe im Parlament.

Bereits am Wochenende hatte Metsola der ehemaligen TV-Moderatorin Kaili, die eine von 14 Vize-Präsidentinnen und -Präsidenten des Parlaments ist, alle Befugnisse in diesem Amt entzogen. Aus ihrer griechischen Pasok-Partei und der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament wurde sie ausgeschlossen.

Die Behörden bringen unterdessen ihre Ermittlungen voran. Am Montag ließ die Anti-Geldwäsche-Behörde in Kailis Heimat Griechenland alle Vermögenswerte der 44-Jährigen, ihrer Eltern, ihrer Schwester und ihres Lebenspartners einfrieren. In Brüssel durchsuchten Ermittler zu Wochenbeginn Räumlichkeiten im EU-Parlament. Dabei wurden Daten von Computern von zehn parlamentarischen Mitarbeitern beschlagnahmt.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Katars Emir, Scheich Tamim bin Hamad Al Thani, will den Einfluss des kleinen Golfstaates in der Welt stärken.
EU-Skandal

Die dubiosen Methoden der Scheichs in Katar

Wenn es um Macht und internationalen Einfluss geht, überlässt Katar wenig dem Zufall. Die Liste an Vorwürfen reicht von Bestechung bis zur Unterstützung von Extremisten.
FILES-BELGIUM-EU-POLITICS
Korruption

„Katar hat Reformen vollbracht und verdient Erfolg“ - Obduktion eines Skandals

Das Emirat hofft auf visafreies Reisen in die EU – und hat in den Brüsseler Institutionen viele Fürsprecher. Eine interne Untersuchung im EU-Parlament ist geplant.
Noch ist die wegen Korruptionsvorwürfen inhaftierte Eva Kaili (Mitte) eine Vizepräsidentin des Europaparlaments. Die Fraktionsvorsitzenden werden am Montag über den Entzug des Amts und der parlamentarischen Immunität der griechischen Sozialdemokratin beraten.
Korruptionsskandal

Katar schießt ein EU-Eigentor

Eine Vizepräsidentin des Europaparlaments soll von dem Emirat bestochen worden sein. EU-Visumerleichterungen für Katarer sind vom Tisch.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.