Von mehreren Medien veröffentlichte Papiere aus Deutschland wärmten die letztjährige Debatte um Abschiebungen nach Kabul wieder auf. Die ÖVP kalmiert.
Im Spätsommer 2021, kurz vor der völligen Machtübernahme durch die Taliban in Afghanistan, wurde in Österreich eine letztlich theoretische Frage heftig diskutiert, sie lautete: Soll man trotzdem Menschen in das Krisenland abschieben? Die ÖVP forderte dies, befeuert wurde die Diskussion durch den Fall Leonie, in dem mittlerweile drei Afghanen erstinstanzlich wegen Mordes verurteilt worden sind; der damals zuständige Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) wurde wegen seiner Haltung heftig kritisiert, auch vom Koalitionspartner. Abgeschoben wurde aber ohnehin längst niemand mehr nach Afghanistan; ein von Deutschland und Österreich organisierter Flug aus München, der afghanische Straftäter nach Kabul hätte bringen sollen, wurde – auch nach einem Einzelfall-Veto des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte – kurzerhand gestrichen.
Die Vorgeschichte dieses Fluges sorgt nun für Wirbel und Kritik an der ÖVP, ausgelöst durch Veröffentlichungen mehrerer deutscher Medien und des „Falter“. In den Dokumenten soll das wenig Überraschende vonseiten deutscher Behörden bestätigt werden: Es seien für Österreich demnach auch „innenpolitische Gründe“ ausschlaggebend dafür gewesen, dass man Afghanen abschieben wollte, soll die deutsche Botschaft in Wien damals gemeldet haben. Die ÖVP fürchte nämlich eine „erstarkende FPÖ“, die nur „einen engen politischen Spielraum“ lasse. Ein möglicher Grund für das ein Jahr verzögerte Auftauchen der Dokumente könnte der seit August laufende Afghanistan-Untersuchungsausschuss in Deutschland sein.
Die ÖVP kalmierte nun: Nehammer selbst erklärte, es sei „kein Geheimnis“, dass er Rückführungen so lange wie möglich durchführen wollte. ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker sekundierte: „Der Innenminister hat getan, was seine Aufgabe ist, nämlich: Er hat versucht, straffällig gewordene Personen außer Landes zu bringen.“
(APA/Red.)