Quergeschrieben

Von der Empathie des „Blackfacing“ und anderen Gespenstern

Michael Köhlmeier warnt in einem Gastkommentar vor der Debatte um kulturelle Aneignung und will„unwohl“ zum Unwort des Jahres küren. Eine Replik.

Die Cancel Culture treibt seltsame Blüten. Beziehungsweise die Angst davor. Der österreichische Schriftsteller Michael Köhlmeier warnte kürzlich auf diesen Seiten vor den „Gespenstern der kulturellen Aneignung und des Inkorrekten“ – und scheint dabei über die nicht gespenstischen Gefahren hinwegzusehen. Aber von Anfang an.

Kaum eine Debatte zu dem Thema kommt hierzulande ohne das Lueger-Denkmal aus. Denn die Forderung der einen, die Statue zu entfernen, ist für andere der Inbegriff von Cancel Culture. „Weg mit der Geschichte!“, lautete auch der Titel eines Kommentars von Köhlmeier, der zuerst im Magazin „Der Pragmaticus“ erschien - und dann auch in gekürzter Version in der „Presse“. Der Autor lobt den Vorschlag von Klemens Wihlidal, Lueger auf einen schiefen Sockel zu stellen. Das war 2010, im Rahmen einer Ausschreibung. Zwölf Jahre lang geschah – nichts. Weil sich die „sensiblen Seelen“ unwohl fühlten, mutmaßte Köhlmeier, aus Angst, „irgendein schrecklicher Koloss, wenn er schief steht, könnte ihnen auf den Kopf fallen“. Köhlmeier trifft mit seinem Argument einen Punkt. Einen halben. Aus Angst ließ man das Denkmal bis heuer unverändert. Furcht hatte man nicht vor dem „Koloss“, sondern vor dem Eingeständnis, dass ein Antisemit mitten in der Stadt kein ehrendes, unkontextualisiertes Denkmal braucht. Blockiert wurde die Veränderung von jenen, die keine Veränderung wollten.

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