Ukraine-Krieg

Luftabwehr: Die ukrainische Hoffnung heißt „Patriot“

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FILES-US-TURKEY-MILITARY-DIPLOMACYAPA/AFP/US AIR FORCE/MSGT SEAN M
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Washington dürfte mit den berühmt-berüchtigten Flugabwehrraketen seine Waffenhilfe auf eine neue Ebene heben. Die Stärkung der ukrainischen Flugabwehr wäre bedeutend. Eine Abwehrrakete der weit verbreiteten Version PAC-3 kostet etwa vier Millionen Dollar pro Stück.

Die Nato selbst schützt ihren Luftraum vor allem mit Patriot-Raketen, jetzt soll auch die von Russland angegriffene Ukraine diese Flugabwehr von den USA erhalten. Nach Angaben des Center for Strategic and International Studies (CSIS) wäre es damit das 19. Land, das dieses System im Einsatz hat oder dies plant.

Die US-Regierung steht kurz davor, ihre Militärhilfe für die Ukraine in waffentechnischer Hinsicht eine Ebene höher zu heben. Der Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij in Washington am Mittwoch sehen viele Beobachter als weiteres Zeichen: Informierten Kreisen zufolge könnte der Beschluss verkündet werden, Flugabwehrraketen vom Typ MIM-104 Patriot zu liefern. Das weitreichende Luftabwehrsystem von Raytheon/Lockheed/Boeing (Reichweite je nach Modell etwa 40 bis 160 Kilometer) ist eines der modernsten der Welt und würde die Verteidigung insbesondere gegen Marschflugkörper und Boden-Boden-Raketen wesentlich stärken.

Dass die Sache den Russen besonders unangenehm ist und als Eskalation gilt, zeigt sich an den Reaktionen. Ex-Präsident Dmitri Medwedew, ein besonderer Scharfmacher im Krieg, warnte die Nato ausdrücklich vor so einem Waffengeschenk an Kiew. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte, Patriots würden „ganz klar" Ziele von Angriffen sein. Was Letzteres speziell bedeuten soll, da West-Waffen schon bisher auch unter Beschuss kamen und bisweilen zerstört wurden, wie es in einem krieg halt üblich ist, ist freilich unklar. Dass die Russen versuchen könnten, diese Waffen schon auf Nato-Gebiet abzufangen, ist eher unwahrscheinlich.

Das bodengestützte Patriot-System ist mobil, die Abschussrampen können auf Lkw montiert werden und mit ihren Lenkflugkörpern Flugzeuge, Raketen und Marschflugkörper in der Luft zerstören. Eine Patriot-Einheit besteht aus mehreren Teilen - einem Radar, einem Feuerleitstand, einer Stromversorgungseinheit und einer Abschussvorrichtung für bis zu acht Luftabwehrraketen.

Eine Abwehrrakete kostet vier Millionen Dollar

Die mobile Startstation erinnert an große Lastwagen und enthält bis zu vier Startbehälter. Nach US-Militärangaben können damit insgesamt je nach Konfiguration bis zu 16 Abwehrraketen geladen werden. Dem US-Thinktank CSIS zufolge kostet eine Abwehrrakete der weit verbreiteten Version PAC-3 etwa vier Millionen Dollar pro Stück (3,76 Mio. Euro).

Mit einem Radar stuft das Patriot-System zunächst Flugobjekte am Himmel in die Kategorien Freund und Feind ein. Im Bedrohungsfall feuern Soldaten im Leitstand die Lenkflugkörper ab, um die Objekte der Angreifer unschädlich zu machen. Überwacht werden können gleichzeitig bis zu 50 mögliche Ziele, aktiv bekämpft bis zu fünf.

Die USA nahmen ihr erstes Patriot-System 1982 in Betrieb, einer breiteren Öffentlichkeit wurde es dann im Golfkrieg 1990/91 bekannt, als damit gegen Israel und Saudiarabien fliegende irakische Scud-Raketen bekämpft wurden. Die anfangs behauptete Trefferquote von 50 bis 80 Prozent erwies sich aber als schwer übertrieben und könnte sogar weniger als zehn Prozent betragen haben. Allerdings war das damals der erste Einsatz von Flugabwehrraketen gegen ballistische Raketen, und man hat Patriot seither dramatisch verbessert.

Flak-Systeme aus mehreren Ländern

Die ukrainische Flugabwehr wurde zwar auch durch andere Raketen und Flak-Panzer mehrerer Staaten gestärkt, doch waren es meist Waffen kurzer bis mittlerer Reichweite wie die deutsche Rakete Iris-T SLM (40 Kilometer) und die US-norwegische Nasams (50 km). Zwar besitzt die Ukraine Langstrecken-Flugabwehrsysteme wie das russische Modell S-300 (je nach Variante durchaus 100 bis 200 km), aber dafür dürfte die Munition ausgehen, und die Patriot hat gewisse Vorteile.

Raytheon

Die Ausbildung von Ukrainern an den Patriots dürfte in Deutschland erfolgen und einige Monate dauern. Über den Umfang dieser Hilfe war vorerst nichts bekannt.

(wg/Ag.)

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