Eden Bar
Geschmacksfrage

Lokalkritik aus der Eden Bar

In der wiederauferstandenen Eden Bar hinter dem Stephansdom sind die Uhren stehen geblieben.

Roter Samt, wohin man schaut, die Kellner – ausschließlich Männer – schlängeln sich aufgemascherlt mit Fliege, Smoking, Kummerbund und einem verschmitzten Gesichtsausdruck, als stünden sie sonst mit dem Rat Pack am Mikrofon, zwischen Tanzfläche und Bartheke hin und her, auf der Bühne steht die über 90-jährige Barlegende und Haussängerin Vera Love, die schon mit Ray Charles und Tina Turner gesungen hat, auf der Tanzfläche wuselt’s. Haben so die 1920er-Jahre ausgesehen? Ich hab’ sie zwar nicht erlebt, die wieder eröffnete Eden Bar hält aber fast dazu an, es zu glauben.

Die Geschichte der Bar ist reich an Anekdoten. Entstanden ist sie als Militärscasino 1911, um den Offizieren fürs Abendprogramm eine standesgemäße Ausweichoption zur Kaserne anzubieten. In den 20ern floss dann der Champagner bei Hausbällen unter der Ägide von Opernsängerin Emmy Stein. In den 40ern und 50ern erweiterte sich die glanzvolle Gästeliste um österreichische Prominenz wie Joe Zawinul, Romy Schneider und Gerhard Bronner sowie internationale Stars wie Ella Fitzgerald und Orson Welles. Ende der 70er-Jahre übernahm dann Heinz Werner Schimanko den Betrieb, heute führen die Eden Bar seine Kinder Michaela und Heinz Rüdiger. 2017 meldete die Bar allerdings Konkurs an. Nachdem die Soravia Immobiliengruppe miteingestiegen ist und im Sommer saniert wurde, ist die Bar nun wieder eröffnet.

Die Türsteherin

Viel ist investiert worden, damit die Bar wieder genauso aussieht wie einst. Die Mahagonisitzganituren wurden noch einmal neu gezimmert, die Wände abermals mit rotem Samt tapeziert, die Büsten von Franz und Sisi überblicken von ihren Ecken aus das Tanzgeschehen. Nur die Technik ist modern — und zentral gesteuert durch Heinz Rüdiger Schimankos Smartphone. Neben der Rolle des Gastgebers übernimmt er also auch das Lichtdesign im Raum. Ebenso wird der Dresscode wieder ernster genommen und von Michaela Schimanko persönlich an der Tür kontrolliert (laut ihrem Bruder die „eleganteste und strengste Tür Wiens“).

Wie die Preise ist auch der Altersschnitt gehobener als bei der nächsten Bobo-Mixologin ums Eck. Die Getränkeauswahl ist imposant mit besonderem Augenmerk auf Champagner und Cognac. Für den Festtagseinstieg lässt sich der Japanese Gimlet mit zerstoßenen Erdbeeren, Sake und Rum empfehlen: Ein wenig erinnert er mit seiner Zimtnote an Lebkuchen, bleibt durch die Limette allerdings frisch. Das Barfood in Form von Sacherwürstel und getrüffeltem Käsetoast taugt übrigens eher, um den Schwips abzuschwächen, als wirklich Hunger zu stillen. Das muss aber auch reichen.

("Die Presse Schaufenster" vom 16.12.2022)

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