Analyse

Deutsche Bank: Noch langweiliger wäre richtig „sexy“

Deutschlands größte Bank hat bei ihrem Umbau noch einen langen Weg vor sich.
Deutschlands größte Bank hat bei ihrem Umbau noch einen langen Weg vor sich. Reuters
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Vier Jahre Umbau haben die gebeutelte Deutsche Bank ihrem Ziel, eine „langweilige“ Bank zu sein, nähergebracht. Warum ist das immer noch nicht genug?

Frankfurt. Nach Jahren mit tiefroten Zahlen und teuren Rechtsstreitigkeiten ist die Deutsche Bank endlich in ruhigerem Fahrwasser angekommen. „Boring is the new sexy“ heißt die Devise der Banker, die der Schlagzeilen um Milliardenverluste, Betrugsvorwürfe und Strafen überdrüssig sind. Bis 2022 wollte Vorstandschef Christian Sewing den Umbau zu einem „langweiligeren“ Institut abgeschlossen haben, das sich mehr auf Privat- und Firmenkunden konzentriert. Das Unterfangen hat das größte deutsche Geldhaus knapp neun Milliarden Euro gekostet. „Insgesamt ist uns das vielleicht gut gelungen“, bilanzierte Sewing vor einigen Wochen. „Aber auch in den letzten Jahren sind uns Fehler unterlaufen, die wir eben in der Nachschau etwas besser machen sollten.“

Sewings Bilanz fällt gemischt aus. Er und sein Team haben einige Ziele erreicht oder sogar übertroffen, andere wurden verfehlt oder aufgegeben. Die Deutsche Bank steht zwar nun schlanker und robuster da – aber die alten Abhängigkeiten vom Investmentbanking bestehen weiter, die Pandemie und ihre Folgen haben sie sogar verstärkt. Und die Dauerbaustelle ist noch immer offen: Wenn das Institut profitabler werden will, um auch international mitzuhalten, müssen die Kosten weiter runter.

Identitätskrise

Der Weg war nicht von Anfang an klar. „Die Deutsche Bank stand mit dem Rücken zur Wand“, sagt Andreas Thomae, Spezialist für Corporate Governance beim Vermögensverwalter Deka Investment, einem der größeren Aktionäre der Bank. Die Deutsche Bank habe ein Identitätsproblem gehabt, sagt Patrick Rioual von der Ratingagentur Fitch: „Es gab mehrere Ideen – von einem Institut mit Hauptfokus auf die Investmentbank bis hin zu einer Universalbank mit einem diversifizierten Geschäftsmodell und einer starken Privatkundenbank.“

Sewing formulierte das Ziel: Das schwankungsanfällige Investmentbanking sollte nicht mehr als 30 Prozent der Erträge im Kerngeschäft ausmachen. Doch es kam anders. Die Corona-Pandemie mit ihren Turbulenzen auf den Finanzmärkten sorgte dafür, dass der Handel mit Anleihen und Devisen wieder zum Gewinntreiber wurde. Und 2021 war ein Rekordjahr im Geschäft mit Fusionen und Übernahmen (M&A), die Provisionen aus dem Emissions- und Beratungsgeschäft wuchsen.

Falsch gewachsen

Am Ende steuerte die Investmentbank in den vergangenen zwei Jahren rund 40 Prozent der Erträge und über 75 Prozent des Gewinns vor Steuern bei. Die Boni sprudelten wieder, und Christian Sewing durfte sich über Gehaltserhöhungen freuen: Im Jahr 2020 stieg seine Vergütung um 46 Prozent, 2021 um weitere 20 Prozent. Die Erträge mit Firmen- und Privatkunden kamen dagegen angesichts der Dauer-Niedrigzinsen auf dem ohnehin hart umkämpften Markt in Deutschland nicht vom Fleck.

„Es wäre besser gewesen, wenn die stabilen Bereiche mehr gewachsen wären als die Investmentbank“, sagt Thomae. Doch 2022 brachte auch im Finanzsektor eine Zeitenwende. Aufgrund der drohenden Rezession und der Inflation liegt das Geschäft mit Fusionen, Übernahmen und Börsengängen weitgehend brach. Die Leitzinserhöhungen in den USA und Europa sorgten dagegen für Freude etwa im Anleihengeschäft.

Richtig entschieden

Rückblickend erwischten Sewing und sein Team ein günstiges Zeitfenster für den Umbau, sagen Analysten. „Die Bank konnte den Großteil der schweren Aufgaben noch vor der Abschwächung der Konjunktur angehen“, so Rioual. Das Management habe „die richtigen Entscheidungen zur richtigen Zeit getroffen und profitierte dabei auch von günstigen Marktbedingungen“, meint Moody's-Analyst Olivier Panis. Die Ratingagentur hat die Kreditwürdigkeit der Deutschen Bank seit 2019 zweimal erhöht. Von dem Ziel, 18.000 Stellen zu streichen, hat sich das Geldhaus verabschiedet. Man verdiene wieder gut, es gebe also keinen Grund mehr dazu, hieß es. Das dritte Quartal 2022 war das neunte in Folge mit schwarzen Zahlen nach Jahren von Milliardenverlusten.

Die Vergangenheit holt sie noch oft genug ein. Erst im September forderte die Bafin die Umsetzung von Maßnahmen gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung und drohte mit einem Zwangsgeld. Das Institut muss die Bafin-Anordnungen zur Prüfung Tausender Kunden von 2018 und 2019 rechtzeitig umsetzen.

Die Baustellen

Ein Dorn im Auge bleibt den Aufsehern das Geschäft mit Hochrisikokrediten. Die Europäische Zentralbank (EZB) fordert von der Deutschen Bank deshalb einen zusätzlichen Kapitalaufschlag, wie mit den Vorgängen vertraute Insider berichten. Aktionäre pochen auf die Aufarbeitung des Greenwashing-Skandals bei der Fondstochter DWS. Außerdem will sich die Bank gegen Schadensersatzforderungen einer spanischen Hotelkette wegen Verlusten bei angeblich riskanten Währungsderivaten wehren. Hierzu leitete die Bank Anfang 2021 eine interne Untersuchung ein.

„In Zukunft müssen die stabilen Bereiche wieder eine größere Rolle einnehmen“, fordert Deka-Manager Thomae. Eine Baustelle bleibt die Rendite: Das neue Ziel ist eine Aufwandsquote (Cost-Income-Ratio) von weniger als 62,5 Prozent der Erträge. Analysten sind angesichts der Inflation und der regulatorischen Kosten skeptisch. Sie meinen, die Bank könne die Kennziffer von derzeit 73 Prozent bis 2025 nur auf 69 Prozent drücken. (Reuters)

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