Schreibkompetenz vermitteln

Mit Worten zum Empowerment

Schreiben ist nicht nur ein kreativer Prozess, sondern auch ein Mittel zur Selbstermächtigung.
Schreiben ist nicht nur ein kreativer Prozess, sondern auch ein Mittel zur Selbstermächtigung.Writer's Studio/Ida Räther
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Die Ausbildung zum zertifizierten Schreibtrainer und Schreibpädagogen und ihre neuen Einsatzgebiete.

Das Verschriftlichen von Gedanken ist eine der wesentlichsten Kulturtechniken der Menschheit. Schreiben ist Selbstermächtigung, Selbstausdruck und Auseinandersetzung mit sich und der Welt. Trotzdem tun sich viele schwer damit. Sie besuchen Kurse und Workshops, lassen sich beim Verfassen ihrer Dissertation, beim Reisetagebuchschreiben oder bei der Entwicklung von Geschäftsideen durch professionelle Schreibtrainer begleiten. Denn Schreiben ist keineswegs ein einsamer Prozess, bei dem man im Alleingang zur Perfektion gelangen muss, sondern ein Vorgang, der Begleitung braucht, eine gute Feedbackkultur und vor allem ein Bewusstsein und Anbieter dafür.

„Schreiben ist Empowerment. Ein unglaublich positiver, motivierender und wirksamer Vorgang“, erklärt Judith Wolfsberger. Sie hat vor 20 Jahren das Writer's Studio in Wien gegründet und damit den Amerikanischen Schreibansatz des Freewritings und des Friendly Feedback nach Wien gebracht, um „beim Schreiben die Angst vor Fehlern zu nehmen. Schreiben kann erlernt, trainiert und gepflegt werden. Es geht darum, in den Schreibfluss zu kommen, eine eigene Schreibstimme zu entwickeln“, erklärt Wolfsberger – und diese äußere sich ja nicht nur in literarischen Texten, sondern in Dissertationen, E-Mails, Blogs, Lebensläufen, Geschäftsschreiben, Briefen.

Schreiben im Berufsalltag

Mit der Ausbildung zum zertifizierten Schreibtrainer richtet sich das Writer's Studio an jene, die im Bereich Schreibkompetenz Vermittlungsarbeit leisten wollen, und an jene, die das Schreiben gezielt in ihre eigenen didaktischen, therapeutischen oder Coaching-Angebote integrieren wollen. Denn die Einsatzmöglichkeiten von Schreibtrainings gehen weit über den Schul- und Hochschulbereich hinaus in den therapeutischen, sozialen und in den Business- und Seminarbereich für Unternehmen. Überall dorthin, wo Gedanken aufs Papier gebracht werden wollen.

Auch Petra Ganglbauer sieht einen Trend zum Selbstausdruck durch das Schreiben. Sie ist Leiterin des Lehrgangs Schreibpädagogik im Berufsverband österreichischer Schreibpädagogen (BÖS), bei dem immer mehr Menschen Schreibworkshops besuchen. Sie findet es besonders wichtig, gerade in der heutigen Zeit, in der so viel verschriftlicht wird wie noch nie, „Menschen für Sprache zu sensibilisieren, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, was Sprache bewirkt.“ Zentral ist dabei zunächst weniger das Was als das Wie des Schreibens– und die Resonanz, also Feedback.

„Die Wirklichkeitswahrnehmung ist abhängig von der Achtsamkeit und Genauigkeit im Umgang mit Sprache“, so Ganglbauer. „Bei uns geht es um kreatives, literaturnahes Schreiben mit Fokus auf sprachspielerischen und experimentellen Zugang.“ Und dieser ist zahlreich anwendbar im didaktischen, sozialen, integrativen, gestalterischen Bereich. Die Ausbildung beim BÖS fußt auf der in der Schreibwerkstatt Stöbergasse in den 1990ern entwickelten Wiener Schreibpädagogik von Gerwald Brandl. Sie befähigt dazu, Menschen in Gruppen oder in Einzelcoachings beim Schreiben zu begleiten oder auch in Schulen das Schreiben als Technik kreativer und profunder zu vermitteln.

Eine Idee, die auch die Mittelschulprofessorin und Autorin Gundi Haigner verfolgt. Sie hat sich Anfang der Nullerjahre beim Masterstudium durch Professorinnen des City College der University of New York zur Schreibtrainerin ausbilden lassen und die Methoden des amerikanischen Freewritings in ihren Unterricht an der Ökomittelschule Alterlaa integriert. Das Ergebnis: Nicht nur hatten die Schüler dadurch die Möglichkeit bekommen, sich schreibend persönlich zu entwickeln, sie schnitten bei den Bildungsstandardüberprüfungen überdurchschnittlich gut ab, und Haigner gewann 2018 mit ihrer Klasse den Exilliteraturpreis. Sie entwickelte eine eigene Portfoliomappe zum Thema Freewriting für Jugendliche, die im Veritas-Verlag erschienen ist, und gibt ihr Know-how als Trainerin für Freizeitpädagogen, AHS-Lehrer oder auch in Young-Freewriters-Kursen für Jugendliche in Kulturvereinen oder an Institutionen wie der Pädagogischen Hochschule in Graz weiter. Zusätzlich bietet sie Coachings für Lehrer oder Absolventen der Schreibtrainerausbildung beim Entwickeln eigener Konzepte für das Schreiben mit Jugendlichen an.

Sowohl die Ausbildung zum zertifizierten Schreibtrainer als auch die Ausbildung zum zertifizierten Schreibpädagogen wird übrigens vom Waff gefördert. Bis Ende des Jahres gibt es für EPU und Freiberufler noch die Möglichkeit, eine Förderung zu beantragen.

Web:www.writersstudio.at,
www.freewriting.at, www.bös.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2022)

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