Interview

EU-Kommissar Janez Lenarčič: „Russland führt einen kolonialen Krieg“

Der Slowene Janez Lenarčič ist seit Dezember 2019 Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenschutz.
Der Slowene Janez Lenarčič ist seit Dezember 2019 Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenschutz.Reuters
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Diesen Winter geht es für die Ukrainer ums schiere Überleben, warnt Janez Lenarčič, der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenschutz. Alle EU-Mitgliedstaaten müssten sich nun auf eine zweite Fluchtwelle gefasst machen.

Die Presse: Hätten Sie im Dezember 2019 bei Ihrer Ernennung zum Kommissar erwartet, dass Sie heute verzweifelt nach Stromgeneratoren suchen würden, damit die Ukrainer durch diesen Kriegswinter kommen?

Janez Lenarčič: Nein, habe ich nicht. Bisher war dieses Portefeuille relativ überschaubar. Im Durchschnitt haben wir unseren EU-Zivilschutzmechanismus pro Jahr ungefähr 20-mal aktiviert. Seit Beginn der Amtszeit dieser Kommission aber sind es jedes Jahr mehr als 100: erst wegen der Pandemie, mit Masken, Beatmungsgeräten, Impfstoffen, jetzt wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine.

Wir zählen in dieser Statistik jede Anfrage jedes Landes, die aus demselben Grund gestellt wird, einzeln. In diesen 100 Anfragen ist die Ukraine also als eine vermerkt – aber unter dieser Überschrift hat die Ukraine bereits mehr als 100 Mal um Beistand angesucht. Und bei der humanitären Hilfe ist die Lage nicht besser. Nächstes Jahr werden weltweit mehr als 330 Millionen Menschen humanitäre Hilfe benötigen: Das sind doppelt so viele wie vor vier Jahren. Und dazu sehen wir einen sehr beunruhigenden Trend von immer häufigeren extremen Wetterereignissen, in der Form von Flutkatastrophen und Waldbränden. Das zeigt, dass wir mitten in der Klimakrise sind.

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