Glaubensfrage

Ist es gepflegte Tristesse? Kultivierte Fadesse? Oder gar Coolness?

Wien statt Berlin: Österreichs katholische Kirche ist für den Papst Musterschüler im deutschsprachigen Raum.

Die Österreicher sind die besseren Deutschen, die besseren Deutschsprachigen, um korrekt zu sein: Diesen Eindruck hat der Besuch der Bischöfe in Dutzenden Büros der Vatikan-Kurie und zuletzt, wie zu vermuten ist, bei Papst Franziskus gemacht.

Wien statt Berlin also. Erst vor einem Monat waren die Bischöfe Deutschlands beim alle fünf Jahre vorgeschriebenen Ad-limina-Besuch in Rom. Da standen die Heftigkeit und Härte im Mittelpunkt, mit der Reformen verlangt und diskutiert werden. Die Bischofskonferenz ist gespalten, Papst Franziskus hat persönlich mehrfach Kritik am Synodalen Weg der Deutschen geübt. Nach seinem ersten Treffen mit den Bischöfen hätte es ein weiteres geben sollen – das er aber absagte.

Ganz anders jetzt, als die Österreicher am Freitag herbeigepilgert kamen. Mit Torte und Geburtstagsständchen am Vorabend des Papst-Geburtstags. So verbissen der Konflikt in Deutschland geführt wird, so abgeklärt wirken die Katholiken in Österreich. Man mag (über)kritisch meinen, die Kirche pendle hierzulande irgendwo zwischen Tristesse und Fadesse. Wenn Fadesse das Gegenteil von Krawall ist, dann kann man mit diesem Vorwurf ganz gut leben. Jedenfalls werden in Österreich nicht, durch Bischöfe angespornt, Erwartungen befeuert, die so bald nicht erfüllt werden können. Und Österreich sieht sich auch eher nicht als der Nabel der gesamten katholischen Welt.

Schnitt. Die vorweihnachtliche Nachricht zum vierten Adventsonntag: Ruft neulich eine treue Leserin an. Sie freut sich, erstmals am Franz-Jonas-Platz im Herzen des roten Floridsdorfs beim S-Bahnhof eine große Krippe gesehen zu haben. Darüber sollte geschrieben werden, nicht nur stets über die Schrecken der Welt. Mission erfüllt.

Ja, sie existieren tatsächlich, die christlichen Spuren in all dem Geblinke und Geschiebe der Weihnachtsmärkte. Auch der Krippenpfad, den es trotz vieler Neuerungen auf dem Rathausplatz (schon das Riesenkarussell gesehen?) ein wenig aufgemascherlt im Rathauspark weiter gibt. Ganz rechts außen Richtung Universität zwar, aber immerhin. Dass beim Gehen durch den Rathauspark die Konfrontation mit schwer Erträglichem, nicht Passendem und/oder unsäglich Kitschigem nicht zu verhindern ist, Schwamm drüber. Und eine Krippe mit lebensgroßen Figuren (kein Wort über das Aussehen) ist wieder direkt unter dem Christbaum zu finden. Wie es sich gehört. Ist ja nicht nichts.

Verweise darauf, was Kern des Weihnachtsfestes ist, die Selbstvergewisserung der christlichen/katholischen Tradition des Landes ohne Triumphalismus tun in einer sich weiter und weiter ausdifferenzierenden und auseinanderdriftenden Gesellschaft gut. So leicht lässt sie sich dann doch nicht unterkriegen, die Erzählung von diesem Jesus.

dietmar.neuwirth@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2022)

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