Twitter-Sperren

Elon Musk beugt sich dem Willen der Nutzer - vorerst

Damit hat er wohl nicht gerechnet. Der „Verfechter der freien Meinungsäußerung“ hat missliebige Reporter auf Twitter freigeschaltet. Auch, weil es seine Nutzer von ihm forderten.

Twitter-Chef Elon Musk hat nach internationaler Kritik mehrere gesperrte Accounts von US-Journalisten wieder freigeschaltet - allerdings nicht alle. Musk kündigte die Freischaltung unter Verweis auf eine Umfrage unter Twittern-Nutzern an, bei der sich eine Mehrheit der knapp 3,7 Millionen Teilnehmer für ein sofortiges Ende der Sperren ausgesprochen hatte. Die Vereinten Nationen betonten, dass es weiter "ernste Bedenken" gebe.

Musk solle sich verpflichten, Entscheidungen auf der Grundlage öffentlich zugänglicher Richtlinien zu treffen, welche Rechte wie Redefreiheit, respektierten, forderte der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk. Ein Ende der willkürlichen Sperren scheint aber nicht in Sicht.

Mehrere der ursprünglich gesperrten Accounts von Journalisten unter anderem der "New York Times", der "Washington Post" und von CNN konnten am Samstag wieder aufgerufen werden - allerdings nicht alle. Der Account der "Business Insider"-Journalistin Linette Lopez war auch am Sonntagmorgen (Ortszeit) weiter gesperrt. Ihr Konto war am Freitag ohne Erklärung gesperrt worden. Sie hatte zuvor immer wieder über den von Musk geführten Elektroautobauer Tesla berichtet. Am Samstagabend (Ortszeit) wurde außerdem der Account einer Journalistin der "Washington Post" gesperrt, die über Tech-Themen und Musk berichtet.

Musk spürt Streisand-Effekt am eigenen Leib

Am Donnerstagabend (Ortszeit) hatte Twitter damit begonnen, Konten von prominenten US-Journalisten zu sperren. Die Sperrungen waren nach Angaben der Betroffenen ohne Vorwarnung erfolgt. Die Vereinten Nationen hatten sich daraufhin zutiefst beunruhigt über die Entwicklung des Online-Netzwerkes unter ihrem neuen Besitzer Musk gezeigt. Auch die Bundesregierung kritisierte die Sperrungen.

Bereits am Mittwoch hatte Twitter einen Account gesperrt, über den man den Privatjet von Konzernchef Elon Musk verfolgen konnte. Bislang war der Account des 19-Jährigen nicht übermäßig bekannt. Doch als Elon Musk ihm Geld zahlen wollte, damit er aufhört, über die Reisen des Privatjets (niemand weiß, wer in der Maschine zu dem Zeitpunkt sitzt) zu berichten. Und schon verbreitete sich der Account in Windeseile. In Tech-Kreisen wird ein solches Phänomen auch als Streisand-Effekt bezeichnet.

Einige der zeitweise gesperrten Journalisten hatten darüber berichtet sowie über Musks Äußerung, er und seine Familie seien durch die Weitergabe von Standortdaten gefährdet worden. In mehreren Tweets in der Nacht zum Freitag schrieb Musk, für Journalisten gälten dieselben Regeln wie für alle anderen.

Er bezog sich dabei auf "Doxxing", nämlich die Weitergabe von persönlichen Daten einer Person, einschließlich Informationen wie der Adresse. "Sie haben meinen exakten Echtzeit-Standort gepostet, im Grunde die Koordinaten für ein Attentat", schrieb Musk. Er sprach von einem Verstoß gegen die Twitter-Nutzungsbedingungen.

Der Journalist Tony Webster, der ebenfalls von der Sperrung betroffen war, schrieb nach seiner Entsperrung auf Twitter, es habe kein "Doxxing" gegeben - "auch wenn ein leicht erregbarer, niemandem rechenschaftspflichtiger Oligarch das gesagt hat". Auch die "Washington Post" wies die Vorwürfe zurück: "Die Post konnte keine Beweise dafür finden, dass die fraglichen Reporter Informationen über den Aufenthaltsort von Musk oder seiner Familie weitergegeben hatten."

"Es ist ein klares Beispiel dafür, dass es sich nicht mehr um ein regelbasiertes Unternehmen handelt", sagte der Journalist Aaron Rupar, dessen Account ebenfalls von der Sperrung betroffen war, dem US-Sender NPR. "Es ist im Grunde ein Unternehmen, das auf den Launen von Elon Musk basiert, und die Nutzungsbedingungen hängen von seiner täglichen Stimmung ab."

Musks Ideen für Twitter werden kritisch beäugt

Musk hatte noch vor einigen Monaten geschrieben, er hoffe, dass selbst seine "schlimmsten Kritiker" auf Twitter blieben, denn das bedeute Meinungsfreiheit. Die "Washington Post" merkte an, dass sich nach der Sperrung der Accounts die Führung der betroffenen Medien zwar schnell kritisch über Musks Vorgehen geäußert habe. Aber alle - inklusive der "Post" - hätten weiter auf ihren offiziellen Accounts getwittert. "Die Verleger haben viel in Personal investiert, dessen Hauptaufgabe darin besteht, Geschichten über die sozialen Medien (...) zu bewerben."

Der Online-Dienst hatte sich in den vergangenen Jahren zu einer wichtigen Kommunikationsplattform entwickelt: Auf der ganzen Welt nutzen Regierungen, Behörden und Politiker Twitter für ihre Öffentlichkeitsarbeit. Tech-Milliardär Musk hatte Twitter im Oktober übernommen und setzt bei dem Online-Dienst seitdem seine Vorstellungen durch. Musk hat sich auch immer wieder eindeutig politisch positioniert, die US-Republikaner beworben und Verschwörungstheorien geteilt.

Im November ließ der Tech-Milliardär den Account des früheren US-Präsidenten Donald Trump freischalten. Trump war seit Jänner 2021 von Twitter verbannt. Er hatte am 6. Jänner auf Twitter Sympathie für seine Anhänger bekundet, die den Sitz des US-Parlaments gestürmt hatten. Musk ließ auch andere Accounts wieder freischalten, die gegen die Nutzungsregeln des Dienstes verstoßen hatten.

(bagre/APA)

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