Das "System ORF Niederösterreich"

Interventionen im ORF: Grünen-Chefin fordert Freistellung von Ziegler

Landesstudio ORF Niederösterreich
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Helga Krismer wendet sich in einem „Offenen Brief" an ORF-Generaldirektor Roland Weißmann- Auch die FPÖ übt scharfe Kritik. Der ORF-Redaktionsrat pocht indes auf die sofortige Suspendierung des bisherigen ORF-Landesdirektors.

E-Mails und Chatnachrichten aus den Jahren 2015 bis 2021, als Robert Ziegler als Chefredakteur des ORF Niederösterreich tätig war, zeichnen ein Bild der systematischen Interventionen – und schlagen politische wie mediale Wellen. Nach Rücktrittsaufforderungen am Wochenende könnten mit Wochenbeginn erste Taten folgen. Denn der Druck wächst: Der ORF-Redaktionsrat fordert die sofortige Suspendierung von Ziegler. Helga Krismer, Landessprecherin der niederösterreichische Grünen, wendet sich in einem „Offenen Brief" an ORF-Generaldirektor Roland Weißmann und verlangt die Freistellung Zieglers. Auch die FPÖ meldet sich erneut zu Wort. 

Der Reihe nach: Wie die „Presse“ berichtet hat, soll Ziegler als Chefredakteur Wünsche der Politik an Mitarbeiter weitergegeben und ihre Umsetzung zuweilen auch gegen den Willen der Redakteure durchgesetzt haben. So ließ er Beiträge und Online-Artikel nachträglich abändern, veranlasste die Verwendung bestimmter, aus ÖVP-Pressetexten stammender Formulierungen und gab den Journalisten im Vorfeld ihrer Berichterstattung klare Richtlinien, mit welchen Inhalten und Personen die Beiträge zu füllen seien. Das bestätigen auch Gespräche zwischen Mitarbeitern des Landesstudios und der „Presse“.

Ziegler selbst wies die am Freitag aufgekommenen Vorwürfe umgehend zurück: „Entscheidungen über die Berichterstattung fallen ausschließlich nach journalistischen Kriterien“, teilt er mit. Es handele sich um „diffuse Vorwürfe“ gegen seine Person, obgleich er seine Arbeit als Chefredakteur „nach bestem Wissen und Gewissen ausgeführt“ habe. Seitens der Redakteurssprecher des ORF-Landesstudios Niederösterreich hieß es am Wochenende, es dürfe zu keiner „pauschalen Vorverurteilung der gesamten Redaktion kommen“, die Vorwürfe „sollen und müssen“ untersucht werden.

„Untadelige Person“ soll Zieglers Aufgaben übernehmen

Am Montag mischte sich der ORF-Redaktionsrat in die Causa ein: „Es geht dabei nicht um eine Vorverurteilung Zieglers, sondern um möglichst weiteren Schaden vom ORF und der Glaubwürdigkeit der Berichterstattung des Landesstudios abzuhalten“, heißt es in einer Aussendung. „Es besteht sonst die Gefahr, dass die Causa Ziegler und damit der ORF zum bestimmenden Thema des Wahlkampfes in Niederösterreich wird.“ Eine entsprechende Kommission solle eingerichtet werden, Zieglers Aufgaben in der Zwischenzeit „von einer untadeligen Person übernommen werden“. 

Denn: Ein Naheverhältnis zwischen einem Chefredakteur und einer politischen Partei sei für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit seiner Verpflichtung zur Unabhängigkeit „nicht akzeptabel“, wird auf Matthias Schrom verwiesen, der erst im November als ORF-TV-News-Chefredakteur zurücktrat, nachdem Chats mit Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache öffentlich geworden waren. Diejenigen, die Missstände in der Redaktion an die Öffentlichkeit bringen, dürften nun dafür nicht bestraft werden, mahnte der Redaktionsrat unter Vorsitz von Dieter Bornemann.

Krismer verlangt Zieglers Freistellung

Ähnlich klingen die Worte der grünen Landesparteichefin Krismer. Die Vorwürfe gegen Ziegler seien schwerwiegend und würden dem ORF massiv schaden, schreibt sie an Weißmann. „Da der Landesdirektor selber daraus keine Konsequenzen zieht, erwarten wir von Ihnen, Herr Generaldirektor im Interesse des ORF, Herrn Robert Ziegler von seiner Funktion 'freizustellen'". Gerade in den nächsten Wochen, vor einer Landtagswahl, „ist es aus unserer Sicht wichtig, die Unabhängigkeit der Berichterstattung des ORF Niederösterreichs sicherzustellen".

Udo Landbauer, Landespartei- und Klubobmann der FPÖ NÖ, sprach unterdessen am Montag im Rahmen einer Pressekonferenz in St. Pölten vom "größten parteipolitischen Medienskandal dieses Landes" und von einem „demokratiepolitischen Supergau". „Jetzt braucht es sofort eine Neuaufstellung, die für Ausgewogenheit, Objektivität und Fairness in der Berichterstattung sorgt", verlangte der Freiheitliche. Landbauer pochte erneut auf ein Ende der GIS-Gebühren und der Landesabgabe.

(hell/APA)

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