Live aus dem Gericht

Vassilakou, Meinl-Reisinger und ein "merkwürdiger Zufall" im Chorherr-Prozess

Maria Vassilakou am Dienstag im Wiener Landesgericht für Strafsachen.
Maria Vassilakou am Dienstag im Wiener Landesgericht für Strafsachen.APA/EVA MANHART
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Im Prozess gegen den grünen Ex-Gemeinderat Chorherr und neun prominente Unternehmer wurden Ex-Vizebürgermeisterin Vassilakou und Neos-Chefin Meinl-Reisinger als Zeuginnen befragt. Die „Presse“ berichtete live.

Wer in Wien eine Flächenwidmung wollte, musste an den, vom damaligen Gemeinderat Christoph Chorherr (Grüne) gegründeten, Verein „S2Arch“ bzw. das afrikanische Schulprojekt „Ithuba“ spenden. So erzählt es die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). „So einfach ist das Leben nicht“, kontern die Verteidiger von Chorherr und neun weiteren Angeklagten, darunter der Industrielle Michael Tojner, der Investor René Benko sowie der Immobilienentwickler Erwin Soravia. Denn: Es sei zwar gespendet worden, mit Bauvorhaben wie dem umstrittenen Wiener „Heumarkt-Projekt“ (Tojner), dem Hauptbahnhof (Benko) oder den „Triiiple“-Wohntürmen (Soravia) habe das aber nichts zu tun gehabt.

Wie es zu eben jenen Projekten gekommen sei, wollte Richter Michael Tolstiuk am Dienstag nun von der einstigen grünen Vizebürgermeisterin und Planungsstadträtin in Wien, Maria Vassilakou, und Neos-Bundeschefin Beate Meinl-Reisinger erfahren. Letztere wurde gleich am Vormittag als Zeugin befragt und gab zu Protokoll, dass sie von 2015 bis 2018 in Wien Chefin im pinken Gemeinderatsklub war. Damals befanden sich die Neos in Opposition zu einer rot-grünen Stadtregierung und Meinl-Reisinger lehnte das zu diesem Zeitpunkt am Tapet befindliche „Heumarkt-Projekt“ ab.

Meinl-Reisinger: „Bei Tojner brauchte man keine hellseherische Fähigkeit“ 

Zwar sei es grundsätzlich zu begrüßen gewesen, dass auf „dieser Gstätten“ etwas gemacht werde, führte Meinl-Reisinger aus, allerdings habe das Projekt - konkret der geplante Hochhausturm - den Status Wiens als Weltkulturerbe gefährdet. Auch bei den Grünen habe es deswegen Diskussionen gegeben, letztlich sei bekannt geworden, dass diese wohl nicht geschlossen „Ja“ sagen würden. Tojner sei daraufhin zu ihr gekommen und habe nach dem Abstimmungsplan der Neos gefragt. Zudem habe der Industrielle die Pinken finanziell unterstützen wollen, schilderte Meinl-Reisinger.

In welcher Höhe wisse sie nicht. Was sie aber noch wisse: Ihr Bauchgefühl habe ihr damals gesagt, dass es ein „merkwürdiger Zufall“ sei und dass es nicht gehe, dass jemand spende, wenn im selben Jahr über ein umstrittenes Projekt abgestimmt werde: „Bei Tojner brauchte man keine hellseherische Fähigkeit, da brauchte man nur die Zeitung aufzuschlagen.“ 

Vassilakou gab anschließend zu Protokoll, dass sie die zentrale Figur gewesen sei, die entschieden habe, „ob ein Projekt dem Gemeinderat vorgelegt wird“. Aus diesem Grund seien Projektwerber zu ihr gekommen - aber nicht nur: „Flächenwidmungswerber melden sich traditionell an so viele Personen wie möglich, weil sie eine Mehrheit brauchen, damit es im Gemeinderat beschlossen wird", sagt sie. „Sie führen Gespräche mit vielen Personen, mit allen Fraktionen, die im Gemeinderat vertreten sind - mit Planungssprechern, mit Klubobleuten.“ Chorherrs Rolle in diesem Prozedere sei eine „untergeordnete“ gewesen, da er ja ihrer Partei angehörte. Seine Wirkung nach außen sei jedenfalls als größer wahrgenommen worden, als sein tatsächliches Pouvoir nach innen war.

Vassilakou: „Abstimmungen buchstäblich hinter meinem Rücken“ 

Konkret nach dem Heumarkt-Widmungsverfahren gefragt, meinte Vassilakou, dass sie nach „reiflicher Abwägung“ eher dafür gewesen sei, Chorherr anfangs auch, dann aber eher dagegen. Er habe ihr aber zugesichert, dass er sie unterstützen werde, sollte sie es doch vorantreiben wollen. Insofern sei Chorherr damals sicher jemand gewesen, mit dem sie sich beraten habe - aber keinesfalls der einzige oder maßgeblichste. Dass sie ihn in ihrer Einvernahme durch Staatsanwalt Roman Reich fälschlicherweise als Planungsstadtrat anstatt Planungssprecher bezeichnet hatte, korrigierte Vassilakou heute - und erklärte dazu: „In dieser Stadt wird man sehr oft als etwas angesprochen, was man nicht mehr ist: Ich werde auch noch als Vizebürgermeisterin angesprochen und bin es nicht mehr.“ 

Ob sich Chorherr bei Abstimmungen, die seinen Verein betroffen haben, enthalten oder den Saal verlassen habe, wurde Vassilakou dann auch noch gefragt. Das könne sie nicht beantworten, meinte sie. Denn: „Alle Abstimmungen waren buchstäblich hinter meinen Rücken.“ Soll heißen: Sie sei im Gemeinderat in der ersten Reihe gesessen und habe nicht sehen können, was hinter ihr geschieht. Was demnächst geschehen wird, sah am Ende des Verhandlungstages dagegen Richter Tolstiuk: Der Prozess wird am 23. Jänner fortgesetzt, mit der Einvernahme eines weiteren Zeugen, den Schlussplädoyers. Und womöglich mit einem Urteil.

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