Umfrage

64 Prozent halten Politiker in Österreich für korrupt

APA/ROBERT JAEGER
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Auf Basis repräsentativer Umfragen von 1974 bis 2022 wurde das Verhältnis zwischen Bürgern und Politik analysiert. Das Image der Politiker hat sich deutlich verschlechtert.

Österreich hat sich in den letzten fünf Jahrzehnten von einer "vertrauensvollen Untertanenkultur" zu einer dominanten politischen Kultur "misstrauisch kritischer Staatsbürger" entwickelt. Zu dieser Einschätzung kommen die beiden Meinungsforscher und Politologen Peter Hajek und Peter Ulram in einer am Dienstag präsentierten Langzeitstudie. Das Image der Politikerinnen und Politiker hat sich im Laufe der Zeit sehr deutlich verschlechtert.

Auf Basis repräsentativer Umfragen von 1974 bis 2022 haben sie das Verhältnis zwischen Bürgerinnen und Bürgern und Politik nachgezeichnet. Die aktuellen Zahlen stammen aus einer repräsentativen Befragung im Juli 2022 mit 800 Interviews (telefonisch und online, Schwankungsbreite plus/minus 3,5 Prozent). Frühere Studien stammen aus dem wissenschaftlichen Fundus von Peter Ulram und sind überwiegend GfK-Studien, die telefonisch oder persönlich durchgeführt wurden. Es handelt sich dabei um Eigenstudien ohne Auftraggeber.

Negatives Bild von Politik deutlich gestiegen

Wie stark das Image der Politikerinnen und Politiker gelitten hat, haben Hajek und Ulram anhand der Zustimmung zu einigen Statements erhoben. Der Aussage, Politikerinnen und Politiker machen ihre Sache im Großen und Ganzen nicht gut, stimmten 1981 nur 30 Prozent zu, heuer hingegen 64 Prozent. Und die Zustimmung zur Aussage, Politikerinnen und Politiker sind korrupt und bestechlich, stieg von 38 auf ebenfalls 64 Prozent. 66 Prozent meinten heuer, Politikerinnen und Politiker kümmern sich nicht redlich um ihre Wählerinnen und Wähler. Hier beträgt die Steigerung seit 1981 nur neun Prozentpunkte. Relativ stabil blieb hingegen die Zustimmung zur Aussage, Politikerinnen und Politiker kümmern sich nicht viel um das, was Leute wie ich denken - von 73 Prozent im erstmals abgefragten Jahr 1974 zu 75 Prozent heuer.

Dass die Menschen im Laufe der letzten fünf Jahrzehnte von einer Kultur der Untertanen eher zu kritischen Bürgern wurden, dafür machen Hajek und Ulram die Bildungsexplosion der 70er-Jahre und das Aufkommen einer Medienlandschaft jenseits der Parteizeitungen mitverantwortlich. Bürgerinnen und Bürger sowie politische Eliten lebten sich demnach zunehmend auseinander: Auf der einen Seite stand eine Bevölkerung, die ein nachlassendes Kümmern der politischen Elite erlebte und sich gleichzeitig zunehmend politisch kompetenter und besser informiert fühlte. Auf der anderen Seite standen politische Amtsträger, deren Anforderungen immer internationaler und komplexer wurden und die einer immer höher gebildeten und besser informierten Bevölkerung gegenüberstanden. Dass das Misstrauen gegenüber den politischen Eliten heute überwiegt, sei aber nicht ausschließlich den Krisen der letzten Jahre zuzurechnen.

Einschätzung der eigenen politischen Kompetenz deutlich gestiegen

Die Einschätzung, inwieweit sich Politikerinnen und Politiker um die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger kümmern, liegt seit Jahrzehnten konstant auf niedrigem Niveau. Insgesamt schätzen 81 Prozent ihre Bedeutung für politische Eliten als niedrig ein. Deutlich gestiegen ist hingegen die Einschätzung der eigenen Kompetenz, politische Vorgänge bewerten zu können. Betrachteten sich 1989 lediglich 38 Prozent der Bevölkerung als ausreichend qualifiziert, tun das heute 60 Prozent.

65 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher glauben, einen guten Einblick in die wichtigsten Probleme des Landes zu haben, 1993 lag dieser Wert bei 53 Prozent. 28 Prozent sehen sich als gut qualifiziert, um am politischen Geschehen teilzunehmen. Weitere 30 Prozent sehen sich als ausreichend qualifiziert, und 41 Prozent sehen sich als nicht ausreichend qualifiziert.

Misstrauische Staatsbürger als größte Gruppe

Kombiniert man das Eingehen der Politik auf die Anliegen der Bürger mit der eigenen Kompetenz der Menschen, ergeben sich vier Effektivitätstypen: "Misstrauischen Staatsbürger" bilden mit 58 Prozent die größte Gruppe. Sie schätzen ihre eigenen Fähigkeiten, am politischen Geschehen teilzuhaben, zwar als hoch ein, die Wirkung und die Wahrnehmung ihrer Anliegen durch die politischen Eliten allerdings als niedrig. Diese Menschen sehen sich als selbstbewusste Staatsbürger. Gegenüber der politischen Elite und deren Absichten sind sie misstrauisch. "Misstrauischen Untertanen" bilden mit 28 Prozent eine Gruppe, die sich gegenüber den politischen Eliten ebenfalls skeptisch zeigt. Sie schätzen aber auch ihre eigene politische Kompetenz als niedriger ein.

"Vertrauensvollen Staatsbürger" bilden mit zehn Prozent eine Gruppe, die einen positiven Blick auf die Politik und deren Bemühen um die Gesellschaft wirft. Auch die eigene Kompetenz, politische Prozesse zu verstehen, wird positiv bewertet. "Vertrauensvollen Untertanen" bilden mit vier Prozent schließlich die kleinste Gruppe. Diese Menschen haben ein positives Bild der politischen Elite und beurteilen die eigene Fähigkeit, politische Entwicklungen zu verstehen, zurückhaltend. Die vertrauensvollen Untertanen sind heute ein Minderheitenprogramm, waren aber in den 70er-Jahren eine noch deutlich größere Gruppe.

„Fürchtet euch nicht"

Betrachtet man die Effektivitätstypen nach Parteipräferenz, fällt auf, dass bei den FPÖ-Wählern der "Vertrauensvolle Staatsbürger" überhaupt nicht vertreten ist, dafür sind drei Viertel "Misstrauische Staatsbürger". Bei den anderen Parteien macht die Gruppe der "Vertrauensvollen Staatsbürger" rund ein Viertel aus, bei der SPÖ allerdings auch nur acht Prozent, was Hajek mit der derzeitigen Oppositionsrolle der SPÖ erklärte.

Trotz dieses Befundes hält Hajek aber die Demokratie für "sehr gefestigt". Er verwies darauf, die Zahl der Menschen, die auch einer Diktatur gegenüber nicht abgeneigt sind, seit den 90-er Jahren zwischen neun und derzeit zwölf Prozent pendelt. "Fürchtet euch nicht" lautet daher der Rat des Politologen.

Und die Empfehlung des Experten hinsichtlich des gestiegenen Misstrauens der Bevölkerung lautet "Transparenz". Als Beispiel nannte er geheime Sideletter zu Koalitionsverträgen. So etwas "geht nicht mehr". Und auch Hearings für öffentliche Positionen hielte er nicht für das Schlechteste.

(APA)

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