Morgenglosse

Es wird scho glei dumpa: Wenn Volksverführer regieren

Elitendämmerung: Die Spaltung der westlichen Gesellschaften hat auch die Fundamente der wissenschaftlichen Erkenntnis angeknabbert.
Elitendämmerung: Die Spaltung der westlichen Gesellschaften hat auch die Fundamente der wissenschaftlichen Erkenntnis angeknabbert. APA/AFP/IVAN PISARENKO
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Das populistische Spiel mit Ignoranz und Polarisierung beschert kurzfristige Wahlerfolge. Doch wie eine Analyse der Bertelsmann Stiftung nahelegt, tun sich die in Regierungskanzleien gespülten Demagogen schwer damit, Strategien für die Zukunft zu entwickeln.

Was tut ein Maschinenstürmer, wenn er die Bastion des Establishments geschleift hat und im Maschinenraum der politischen Macht angekommen ist? Weitermachen wie bisher - diesen Schluss legt jedenfalls eine soeben veröffentlichte Studie der Bertelsmann Stiftung nahe, bei der untersucht wurde, wie gut westliche Industrienationen das Geschäft des Regierens beherrschen. Die Verfasser der Enquete stellten unter anderem fest, dass die Kapazitäten zur strategischen Planung und Formulierung langfristiger Ziele in jenen EU-Ländern am stärksten gelitten haben, in denen in den vergangenen Jahren erfolgreiche Revolten gegen das Establishment stattgefunden haben: Ungarn und Polen.

Auf ihrem Weg nach oben haben Viktor Orbán und Jaroslaw Kaczynski von der Unzufriedenheit der Bevölkerungen mit dem Status quo ante profitiert. Um sich an der Macht zu halten, haben sie Populismus und Polarisierung gefördert. Unbequemes wissenschaftliche Erkenntnisse wurden nicht zur Kenntnis genommen, Experten entwertet, Emotionen den Fakten vorgezogen, Beledigtsein offensiv zur Schau gestellt und Ressentiments angestachelt. Die Anhänger dieses Kults der Ignoranz verklären den passiv-aggressiven Gestus des Nicht-Wissen-Wollens zu einem heroischen Akt der Befreiung vom Joch einer vermeintlich abgehobenen Elite.

Das Problem ist nur, dass mit Ignoranz kein Staat zu machen ist. Sind die planerisch-strategischen Kapazitäten erst einmal geschrumpft und die gesäuberten Stabsstellen mit handverlesenen Unwissenden besetzt, lässt es sich eine Weile von der geerbten Substanz leben. Doch spätestens wenn die Reserven aufgezehrt sind, wird es brenzlig. Insofern verwundert es nicht, dass sowohl Kaczynski als auch Orbán mit zunehmender Vehemenz versuchen, an EU-Fördertöpfe heranzukommen. Denn ohne die Gelder aus Brüssel wird es scho glei dumpa in Warschau und Budapest.

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