Wissenschaftsskepsis

37 Prozent setzen auf "Hausverstand" statt Wissenschaft

Zwei Drittel der Österreicher sind prinzipiell an Wissenschaft interessiert, vermissen aber ausreichend Information, zeigt der erste Wissenschaftsbarometer. Er soll von nun an jährlich erhoben werden.

Premiere feierte am Mittwoch der erste Wissenschaftsbarometer, der für Österreich im Auftrag der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) vom Gallup-Institut erhoben wurde. Darin zeigt sich ein differenziertes, dennoch besorgniserregendes Stimmungsbild der Bevölkerung zur Wissenschaft: Ein Drittel (30 Prozent) vertraut ihr kaum - und bevorzugt stattdessen den „Hausverstand“ als Kompass für Meinungen und Entscheidungen.

So sagen etwa 37 Prozent, dass sie sich „mehr auf den gesunden Menschenverstand verlassen“ als auf Studien. „Im Zweifel“ vertrauen 33 Prozent „eher der Lebenserfahrung einfacher Menschen“ als der Einschätzung von Wissenschaftlern. Zugleich aber haben zwei Drittel durchaus Interesse an der Wissenschaft und wünschen sich mehr Information darüber. Ein klarer Auftrag und eine „Bringschuld“ von Wissenschaft und Medien, wie ÖAW-Präsident Heinz Faßmann vor Journalisten betonte.

Österreich Schlusslicht bei Interesse an Wissenschaft

Initialzündung für die neue Studie war der Eurobaromter, in dem Österreich im Vorjahr hinter Kroatien das Schlusslicht in Bezug auf das Interesse an Wissenschaft belegte. Prinzipiell lässt die Gallup-Studie ebenfalls eine große „mentale Distanz“ zur Wissenschaft erkennen. Das bestätigt auch Gallup-Geschäftsführerin, Andrea Fronaschütz. Allerdings: „Zwei Drittel sind am Thema interessiert. Sie erwarten aber, dass die Informationen zu ihnen gebracht werden.“ Ebenfalls korreliert das Vertrauen mit der Höhe des Haushaltseinkommens und dem Bildungsgrad. Je höher, desto höher auch das Vertrauen.

Die Informationsquelle ist für die meisten (69 Prozent) das Internet neben ORF (51 Prozent) und Tageszeitungen (48 Prozent). Doch auch digital aber werden vor allem die Websites des ORF oder der Tageszeitungen aufgerufen, um sich über Wissenschaft zu informieren. 48 Prozent zeigen sich allerdings wenig bis überhaupt nicht zufrieden über die Berichterstattung, 64 Prozent fühlen sich schlecht informiert. Den Zugang müsse man „banalisieren“ und niederschwelliger gestalten, leitete Faßmann daraus ab. „Wir müssen kämpfen und überzeugen.“ Vor allem Kinder und Jugendliche zwischen zehn und 14 Jahren müsse man noch stärker ansprechen, „bevor ihre Meinungen verfestigt sind.“ 

Faßmann erhält Rückendeckung von Polaschek

Das sieht Faßmann als wichtigsten Auftrag an den Wissenschaftsbetrieb selbst, aber auch an die Medien. Die Ergebnisse wird er Anfang des Jahres zur „Strategiesammlung“ an einem Runden Tisch mit Vertretern außeruniversitären Forschungsinstitutionen diskutieren.

Die offensichtliche Diskrepanz zwischen prinzipiellem Interesse an Wissenschaft und dem Gefühl, ausreichend informiert zu sein, sieht der ÖAW-Präsident ebenfalls als klaren Auftrag an die Politik, wie er zuletzt auch im Interview mit der „Presse“ betonte: Es sei „unverständlich“, dass in den Vorlagen zum neuen Medienförderungsgesetz Wissenschaft kein Förderkriterium sei - anders als Sport oder Kultur, betonte er auch am Mittwoch.

Der entsprechende Gesetzesentwurf befindet sich derzeit in Begutachtung. Positiv verwies Faßmann auf eine „umfassende“ Stellungnahme seines Nachfolgers im Wissenschaftsministerium, Martin Polaschek (ÖVP). Dieser habe sich ebenfalls für die Aufnahme der Wissenschaft als Förderkriterium ausgesprochen. Nun aber müsse man die Debatten im Nationalrat abwarten, sagte Faßmann auf „Presse“-Nachfrage.

(juwe)

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