Filmbiografie

„I Wanna Dance With Somebody“: Eine picksüße Whitney Houston

Chart-Erfolge brachten ihr Ruhm, Afroamerikanern war sie zu „weiß“: Whitney Houston (Naomi Ackie).
Chart-Erfolge brachten ihr Ruhm, Afroamerikanern war sie zu „weiß“: Whitney Houston (Naomi Ackie).(c) Sony
  • Drucken

Die Britin Naomi Ackie brilliert in einem Biopic über den Popstar, das zu viele bittere Tatsachen ausspart. Ab Donnerstag im Kino.

„Oreo! Oreo!“, riefen ihr enttäuschte afroamerikanische Fans 1989 vor jener Award-Show zu, bei der Whitney Houston den R&B-Sänger Bobby Brown kennenlernte. „Oreo“ ist ein 1912 auf den Markt gekommenes, schwarzes Keks mit weißer Fülle. Ähnlich hell mutete die Musik an, mit der die in Gospel- und Soultradition aufgewachsene Sängerin an die Spitze der Hitparaden schnellte. Sie erreichte den weißen Mainstream also auf Kosten des traditionellen, afroamerikanischen Publikums.

Das konnte ihr nicht ganz egal sein: Ihre Mutter, die als hochkarätige Session- und Backgroundsängerin von Elvis Presley, Aretha Franklin sowie als Mitglied der Gospelsoulband The Sweet Inspirations nie den Sprung ins Zentrum der Bühne wagte, war eine umso strengere Lehrerin für Whitney. „Dein Talent ist ein Gottesgeschenk. Mach was daraus!“, herrschte sie ihre Tochter gern an. „Jedes Lied ist eine Geschichte, die mit Kopf, Herz und Bauch erzählt werden muss!“, lautete ein anderer Stehsatz. Whitney, die nicht enttäuschen wollte, erwiderte trotzig: „I'm real.“ Innerhalb weniger Jahre wandelte sich das burschikose Mädchen aus New Jersey zum Weltstar, sechs Grammys und sieben Nummer-1-Hits hintereinander machten sie in der Branche unsterblich.

Produzent Davis in mildem Licht

Regisseurin Kasi Lemmons erzählt ihre kurze Lebensgeschichte – Houston wurde nur 48 Jahre alt – in „I Wanna Dance With Somebody“ recht überraschungsarm und entschlossen überwürzt. Sie überträgt quasi die künstliche Süße von Houstons Musik auf das Medium Film. Dass das mit zweieinhalb Stunden viel zu lange Biopic nicht zur Schmonzette zerbröselt, hat es allein der famosen Hauptdarstellerin, der Britin Naomi Ackie, zu verdanken: Mit subtiler Mimik erschafft sie Momente köstlicher Ambivalenz, ihre Mimikry bei dramatischen Liedern wie „Saving All My Love For You“ und „I Will Always Love You“ ist von atemberaubender Präzision. Wie sie es anlegt, ihre klandestine Sympathie zu ihrem Produzenten, dem Chef des Arista-Labels, Clive Davis, zu mimen – auch das ist von höchster Delikatesse.

Die Crux ist nur, dass Davis auch einer der zwölf Produzenten des Films ist – und sicherlich auch das Drehbuch beeinflusst hat. Im Film wird dieser große Svengali des amerikanischen Showgeschäfts – ein Mann, der

als Entdecker von Janis Joplin, Santana, Barry Manilow und eben Whitney Houston gilt – in konsequent mildem Licht gezeichnet. Dabei war er es, der am Ende von Houstons Leben katastrophale Entscheidungen getroffen hat. So ließ er Whitney in ihren letzten Jahren trotz ihrer vom Drogenabusus devastierten Stimme kein anderes Repertoire singen, sondern beharrte darauf, dass sie schrille House-Music-Tracks aufnahm. Auch schickte er sie auf eine fatale Welttournee, bei der jedes Konzert wegen ihrer Stimmprobleme am Rand des Abbruchs stand.

Viel Platz für lesbische Langzeitaffäre

Die Gnadenlosigkeit des wirklichen Lebens zeigt Lemmons' Film nur in homöopathischen Dosen. Dass Houston in Wirklichkeit schon 1982 vom Bassisten Bill Laswell entdeckt worden ist, wird vollends verschwiegen: Die gemeinsam mit dessen Band Material aufgenommene Nummer „Memories“ deutet wohl zu sehr an, dass Houstons Karriere auch in eine ganz andere Richtung hätte gehen können. Viel Platz wird indes Houstons lesbischer Langzeitaffäre mit Robyn Crawford eingeräumt. Kurz blitzt Positano auf, ein italienischer Ferienort, an dem die beiden glücklich waren. Obwohl dann Männer in Houstons Leben traten – Jermaine Jackson, Bobby Brown – blieb Crawford bis zuletzt im Umfeld des Stars.

Kaum ausgelotet wird im Film der Sprung in Houstons Persönlichkeit, lediglich dessen zerstörerische Folgen werden gezeigt. Die harten Drogen kamen nicht erst mit Bobby Brown in ihr Leben, sie wirkten lang als Sedativ gegen die Zumutungen seitens ihrer Familie. „I'm tired to be the good girl“, ächzt sie einmal. Wer mit den Göttern singen will, der braucht eine Leiter. Whitney Houston hat die ihre ganz bewusst umgestoßen.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.